Andacht vom 15. Oktober 2017

Wort zum 18. Sonntag nach Trinitatis, 15. Oktober 2017

 

Im letzten Sommer unternahm ich eine Reise in den Nordiran – auf der Suche nach Kirchen, Menschen, die dort als Christinnen und Christen leben. Ich kam durch ein kleines Dorf.

Kaum hatte unser Wagen dort gehalten, kamen Kinder herbei – aus allen Richtungen des Dorfes, liefen hinter uns her, schauten uns an. Manch einer versuchte seine Englischkenntnisse: „Hello!“ Irgendwann sprachen die Jungen immer lebhafter miteinander, zeigten auf mich und meine Schuhe. Ich war irritiert. Der Dolmetscher fragte, was sie denn diskutierten.

„Solche Turnschuhe möchte ich später auch einmal haben“, meinte einer der Jungen. „Was kosten die?“

„Mehr als fünfzig Euro.“ – 100 Euro traute ich mich schon gar nicht zu sagen. – Stille – Die Jungen schluckten.

Der Junge wiederholte langsam. „Später, wenn ich groß bin, möchte ich solche Schuhe haben.“

Beschämt ging ich weiter. 100 Euro – welch unvorstellbarer Wert für diese Kinder.

Was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?

Was soll ich für einen Beruf ergreifen, wie soll ich mein Leben gestalten?

Was trägt dazu bei, dass ich es richtig mache in meinem Leben?

Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach! 

Da stehe ich in meinen teuren Turnschuhen und frage mich... Zuhause habe ich einen ganzen Schuhschrank voller Schuhe; ich kann mir eine Reise leisten.

Naja, es ist doch schon so, dass ich auch etwas abgebe. So ist das doch bestimmt nicht wortwörtlich gemeint...

Ich erinnere mich an die Bibelauslegung aus Lateinamerika: Den Menschen aus Nicaragua gaben diese Worte der Bibel Hoffnung auf Veränderung, Zuversicht, dass sie eines Tages in einer gerechteren Welt würden leben können.

Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach! 

Harte Anfrage an mich. Fragen, nicht erst am Ende des Lebens, sondern für jede und jeden – jetzt, heute und hier.


Susanne Böhringer, Pfarrerin in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Halle