Andacht vom 07. Juli 2019

Wort zum 3. Sonntag nach Trinitatis, 07. Juli 2019

Das Verlorene suchen

Ein untrügliches Zeichen für die bald beginnenen Schulferien stellt sich ein: Lehrer mit ihren Schulklassen besuchen unsere Eisdiele. Die Sonne scheint, die Kinder sind fröhlich, das Eis schmeckt, ich verspüre Urlaubsstimmung und Reiselust. Aufbrechen aus dem Alltag - das hört sich verheißungsvoll an. Was suchen wir im Urlaub? Ich glaube, wir suchen etwas, was in unserem  Alltag verloren geht. Der morgige Sonntag steht passend unter dem Thema: Das Verlorene suchen. Ich überlege, was habe ich und was haben wir in unserer Gesellschaft verloren. Schnell fällt mir ein:  Muße, Zeit für Familie und Freunde. Was aber haben wir verloren in unserer Gesellschaft?  Da fällt mir jede Menge ein: Das demokratische Ringen und Streiten im Respekt vor dem Anderen, Vertrauen in Staat und Institutionen, das ausgeglichene Klima, die soziale Gerechtigkeit, das Mitgefühl, wenn Menschen auf der Flucht ertrinken.... Wir sind wohl nicht mehr dort, wo wir nach Gottes guten Willen sein sollten.

Viele wertvolle Dinge sind uns abhanden gekommen. Das klingt nach einer Mammutsuchaufgabe, die in einer Urlaubssaison wohl kaum zu bewältigen ist. Aber bevor wir gleich den Kopf in den Sand stecken, hören wir doch auf den Bibelvers, der den morgigen Sonntag seine Prägung gibt: "Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist." (Lk 19,10). Da ist bereits einer gekommen, der das Verlorene sucht. Jesus, der Menschensohn, der zutiefst menschlich war. Ich glaube gerade in diesen Zeiten tut es gut, zu wissen, da sucht uns einer, will uns aus der Respektlosigkeit zur Achtung des Anderen führen, aus dem Egoismus zum Teilen, aus der Gefühlslosigkeit zur Solidarität, aus dem achtlosen Konsum zur Bewahrung der Schöpfung. Der hört nicht auf, uns zu suchen, und vielleicht ist das gerade eine Möglichkeit für unsere Sommerzeit: Lassen wir uns finden von ihm, auf dass wir das Leben wieder neu finden. Das schmeckt mindestens so gut wie ein Eis zur Schulzeit.

Silke Beier ist Pfarrerin in der Ev. - Luth. Kirchengemeinde Werther