Andacht vom 02. September 2012

02. September 2012 - 13. Sonntag nach Trinitatis

Ein Licht aufgehen lassen

Was hatte ich mir noch für heute vorgenommen? Es war etwas Wichtiges. Das kann doch nicht wahr sein! Na ja, es wird mir schon noch einfallen. Erst das rechte Bein strecken. Anheben, die Zehen nach oben ziehen. Gut, das geht noch wunderbar. Besser als bei Hans, der kaum noch aus dem Bett kommt. Wenn mein Kopf nur auch noch so mitmachen würde. Ach ja, das war es. Ich wollte noch mal zu Hans gehen. Ihn nach dem Bibelvers fragen, den er mir neulich gesagt hat.

Guten Morgen, Hans. Ich bin’s. – Ja danke, die Beine machen noch mit. Werden ja auch gut trainiert, wenn sie immer zu Dir laufen müssen. – Zum neidisch werden? Hör bloß auf. Dafür ist Dein Kopf noch so schnell wie ein junger Läufer. Ich wollte Dich noch einmal nach dem Spruch fragen, den Du mir neulich gesagt hast. Aber wahrscheinlich hast Du langsam die Nase voll davon und denkst, das hat sowieso keinen Sinn.

Na klar, kann ich das Teelicht an Deiner Kerze anzünden. Wo willst Du’s denn hin haben? Da hinten in die Ecke? Ach, auf den Ständer. – Was sagst Du, noch ein Teelicht? Warte, ich komme wieder zu Dir. – Gut, ich zünde es an deiner Kerze an. Soll ich es diesmal auf den rechten Arm des Leuchters stellen? – Was, noch ein Licht? Da hättest Du mir doch gleich drei mitgeben können. – Ach so, Du meinst, sie wären mir dann hingefallen. Aber meine Hand ist noch ruhig, da staunst Du. So, es brennt.

Moment, ich hole den Stuhl zu Deinem Bett. Was guckst Du mich so herausfordernd an? – Ja stimmt, Deine Kerze brennt immer noch. Warum auch nicht? Das schadet ihr doch nicht, wenn ich die Teelichte an ihr anzünde. Sie verliert nichts, wenn sie immer wieder von ihrem Feuer abgibt. – Du meinst, Du bist wie die Kerze? Ich kann so oft zu Dir kommen, wie ich will?

Das mit der Kerze hast Du aus einer alten Mönchsgeschichte? Ein Bild für Gottes Geduld! Gut, dass man das aufgeschrieben hat. Und sag mal, was war noch der Spruch von neulich? Aber, eigentlich egal. Ich werde mir die Geschichte mit der Kerze merken. Die passt noch viel besser.

von Dr. Sven Keppler, Pfarrer in Versmold