Andacht vom 05. Februar 2012

05. Februar 2012 - Septuagesimae

Die fünfte Jahreszeit ist in vollem Gang, in den Geschäften lassen sich große Bereiche mit Karnevalsbekleidung finden und die karnevalistischen Abende im Fernsehen nehmen zu. Zugegeben: Irgendwie fasziniert mich der Gedanke an die nächste Karnevalsparty mit Kostümzwang – als was verkleide ich mich in diesem Jahr? Als Clown, Hexe, Zauberer, Prinz oder Prinzessin, Ritter, Matrose, Kapitän, Sträfling, Nonne, Engel, Teufel oder Meerjungfrau, Biene Maja oder Asterix? Welche Verkleidung übt in diesem Jahr die große Faszination auf mich aus? Mit welcher Traumrolle freunde ich mich am stärksten an? Welche Maske setze ich auf, um unerkannt zu bleiben?

Bei einer so großen Auswahl denke ich an die verschiedenen Rollen, die ich im Alltag unter einen Hut bringen muss, will oder soll: Ehefrau, Mutter, Beruf, Haushalt, Hobby, Freundschaften, Beraterin, Zuhörerin in allen Lebenslagen. Ich frage mich, ob nicht manche Alltagsrolle zur Maskerade verkommt, wenn man sich zuviel zumutet oder einem zuviel aufgebürdet wird? Der Karneval bietet einmal im Jahr die Möglichkeit, sich für eine Rolle zu entscheiden, einmal aus der Rolle zu fallen, Alltagshüllen abzustreifen und sich selbst aufs Korn zu nehmen oder aber sich selbst näher zu kommen.

Mir macht es Spaß, Masken aufzusetzen, mich zu verkleiden, die eigenen Phantasien aufblühen zu lassen, mich zu verwandeln. Das Spiel mit verschiedenen Rollen ist genial. Manchmal wachse ich über mich hinaus, entwickele oder entfalte mich, nehme einflussreiche Rollen ein oder probiere einfach etwas Neues aus. Es wäre schön, wenn wir immer so locker mit unseren verschiedenen Rollen umgehen könnten. Es täte gut, wenn wir uns unsere Rollen nicht immer von außen vorgeben lassen würden, sondern uns aktiv solche suchten, die wir einmal austesten wollen, um festzustellen, ob sie passen. Was bislang unsere Wirklichkeit, unseren Alltag ausmacht, muss nicht alles sein. Denn was und wer wir wirklich sind – und wer wir in Wahrheit sein sollen, ist noch lange nicht ausgemacht.

Ob wir in unserem begrenzten Leben schon die sind, die wir als göttliche Ebenbilder sein können und sein sollen, steht noch offen. Unserer wahren Identität sind wir erst vage auf der Spur, so stellt Paulus es uns in Aussicht: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ (1. Korinther 13, 12).

Vielleicht macht Ihnen die fünfte Jahreszeit Mut, etwas Neues zu wagen und eine ganz andere Seite an sich zu entdecken und genau dieses auch Menschen zuzugestehen, die Ihnen begegnen.

von Christiane Karp-Langejürgen, Pfarrerin am Berufskolleg Halle/Westfalen.