Andacht vom 10. Juni 2012

10. Juni 2012 - 1. Sonntag nach Trinitatis

Jesus Christus spricht: Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich. (Lukas 10,16)

Klara steht vor dem Altar. Neben ihr zehn weitere Grundschüler. Im Religionsunterricht besuchen sie die alte Dorfkirche. Jedes Kind hat einen Zettel, darauf steht ein selbst formuliertes Gebet. Der Reihe nach lesen sie vor, jetzt ist Klara dran: „Lieber Gott, ich danke dir für meine Freunde. Amen." Die Freunde antworten im Chor: „Amen."

Wie laut dieses Amen klingt! Der Unterschied zum Sonntagsgottesdienst ist nicht zu überhören. Wir Erwachsenen flüstern unser Amen. Gut, dass unsere Kinder so gut zu hören sind. Denn: „Wer euch hört, der hört mich", sagt Jesus Christus zu uns.

Zugegeben, Jesus geht es nicht um die Lautstärke. Er spricht vom Hören auf jemanden. „Wer auf euch hört, der hört auf mich." Aber: Das eine gehört zum anderen. Nur wer zu hören ist, kann auch Gehör finden. Mir scheint: Wir Christinnen und Christen sind zu leise geworden. Vielleicht aus Scham, vielleicht aus Scheu. Wer will schon altmodisch wirken? Wer will schon riskieren, dem anderen zu nahe zu treten?

Dabei wäre es Zeit, uns Gehör zu verschaffen. Gerade, wenn es um unsere Kinder geht. So klagen Mitarbeitende in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit immer häufiger über den Ganztagsunterricht – und seine Folgen. Die langen Schulzeiten machen es immer schwerer, Jugendliche zu finden, die den Kindergottesdienst oder die Jungschar leiten mögen. Und auch die Teilnehmer bleiben aus... So wird der Religionsunterricht in den Schulen immer wichtiger. Nur: Da fehlt es oft an qualifizierten Lehrkräften. Keine rosigen Aussichten! Zeit für einen Aufschrei!

Sicher, die Stimme gegen den zunehmenden Ganztagsunterricht zu erheben, ist unpopulär. Aber Christus spricht: „Wer euch verachtet, der verachtet mich."

Klara und ihre Freunde haben gelernt, ihren Glauben deutlich hörbar zum Ausdruck zu bringen. Das haben sie uns voraus. Wenn wir weiter flüstern, wird es wie „Ja und Amen" klingen.

von Dr. André Heinrich, Pfarrer der Kirchengemeinde Brockhagen