Andacht vom 14. Oktober 2012

14. Oktober 2012 - 19. Sonntag nach Trinitatis

Alles hat seine Zeit

Bald stellt sich wieder diese schwere Frage: Stellen wir Ende des Monats nun die Uhren vor oder zurück, wenn in der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober die Sommerzeit endet. Um diese Frage sofort zu beantworten: In der Nacht wird die Uhr um eine Stunde zurückgedreht. Manche Menschen sagen: Uns wird eine Stunde geschenkt.

"Sommerzeit – Winterzeit, dass ist doch nichts Neues, die hatten wir schon im Krieg", sagte meine Großtante früher. Ob sie einen Sinn machte, hat die alte Dame immer bezweifelt. In Deutschland wurde die Sommerzeit im Jahr 1980 wieder eingeführt. Nach dem Schock der Ölkrise 1973 sollte sie helfen, Energie zu sparen und das Tageslicht besser auszunutzen. Nur – messen lässt sich das Einsparpotential kaum. Sicherlich wird abends weniger Licht gebraucht, dafür aber vor allem im April und September mehr. Dann wird noch oder schon wieder geheizt, weil morgens das Badezimmer warm sein soll. Ist es also nur eine Illusion, dass die Sommerzeit sinnvoll ist?

Vielleicht ergibt sich ein ganz anderer Sinn? Wer genießt sie nicht, die hellen langen lauen Sommernächte auf dem Balkon, im eigenen Garten oder im Biergarten mit der Familie, Freundinnen und Freunden?

Haben wir im Sommer wirklich mehr Zeit für einander oder nehmen wir uns mehr Zeit für einander? Aber, ob wir im Garten bei Grillwürsten und Bier oder im warmen Wohnzimmer bei Stollen und Glühwein zusammen sitzen, das unterscheidet sich nicht. Den einen wie den anderen Termin müssen wir miteinander vereinbaren und für einander frei halten. Wir müssen einkaufen, vorbereiten, losgehen und offen sein für die anderen.

„Die Menschen werden geboren, die Menschen sterben, und die Zeit dazwischen verbringen sie mit dem Tragen von Digitaluhren.“ Diese weisen Worte stammen von Douglas Adams, dem britischer Schriftsteller, der den verrückten Roman „Per Anhalter durch die Galaxie“ geschrieben hat. Darin stellt er nicht nur das Universum gedanklich auf den Kopf, sondern auch die Zeit. Es geht darum, ob man Geschehens ungeschehen machen kann, wenn man die Chance hat, alles noch einmal zu erleben.

Vor kurzem sprach ich mit einem Arbeitskollegen darüber, ob ich noch einmal 20 Jahre alt sein möchte. Nein, möchte ich nicht. Alles nochmal erleben, was ich seitdem erlebt habe? Ich bin da ganz ehrlich: Weder das Gute und Leichte noch das Schlechte und Schwere möchte ich ungeschehen machen, und auch nicht noch einmal durchleben.

Ich möchte die Zeit nicht verdrehen. Ich möchte mir Zeit nehmen für die Menschen und die Dinge, die mir wichtig sind. Ich möchte gespannt bleiben auf die Zukunft. Das funktioniert. Hat es bisher ja auch. Wer das bezweifelt, kann sich trösten lassen: "Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde." (Prediger 3,1)

von Frauke Brauns, Redakteurin und Öffentlichkeitsbeauftragte im Evangelischen Kirchenkreis Halle