Andacht vom 31. Juli 2011

Wohin treibt Europa?

6. Sonntag nach Trinitatis, 31. Juli 2011

Kaum ein Thema ist so gründlich öffentlich diskutiert worden wie die Finanzkrise in Griechenland.
Jeder – auch wenn er kein Finanzexperte ist – kann sich umfassend informieren: Europäische Union, IWF, Weltbank, Euro-Krise u.s.w. Es gibt kaum eine Nachrichtensendung, in der das Thema nicht behandelt wird...
Je länger und je intensiver das Thema Griechenland diskutiert wird, umso mehr taucht die Frage auf, ob denn die vorhandenen Instrumente zur Rettung dieses Finanzproblems wirklich reichen.

Sollte nicht mehr auch die Bevölkerung der Europäischen Länder in die Diskussion einbezogen werden. Gibt es keine Instrumente, die z.B. auch der jungen Generation die Gelegenheit geben, sich in die Diskussion einzuschalten?  In Spanien ist etwa 40 Prozent der jungen Generation ohne Arbeit. Diese junge Generation hat immer mehr das Gefühl, dass sie außen vor bleibt, dass sie tatenlos mit ansehen muss, wie wichtige – auch ihre Zukunft betreffende – Weichen gestellt werden.

Die Finanzkrise ist auch eine Strukturkrise. Sie macht deutlich, dass über die Entwicklung der Länder nur noch die Finanzmärkte entscheiden. Das bedeutet ganz konkret, dass überall da, wo junge Menschen versuchen, durch eigene Initiativen eine andere und bessere Gesellschaft mit aufzubauen, sie mit diesen anonymen durch Finanzen kontrollierten Strukturen konfrontiert werden. Sie fragen sich, was ihre Schulbildung was ihre Ideen da noch bewirken sollen.
Ist es da ein Wunder, wenn labile Strukturen entstehen, wenn Arbeitsplätze verloren gehen und wenn dann - als Folge dieser Entwicklung - junge Menschen sich hinter ihren Computern und Computerspielen verstecken?
Als ich vor einigen Jahren mit zwei Vikaren in Berlin durch die Lutherstraße ging, sahen wir einen Schnellimbiss. Wir gingen hinein, weil wir eine Tasse Kaffee trinken wollten.

Wir sahen uns um und entdeckten einen weiteren Raum. Dort saßen neun Jugendliche vor Computern, surften im Internet und luden sich Texte herunter. Der Imbissinhaber sagte uns, dass die Jugendlichen fast jeden Tag da säßen. Immer mal wieder kämen sie kurz rein, um seine Hilfe zu erbitten. Wir fragten ihn, was er dafür nähme. „Gar nichts,“ sagte er.

Eh ich’s vergesse: Der Spruch an der Außenwand der Alten Dorfschule in Brockhagen lautet: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht.“

Kurt Kükenhöner, Pfarrer im Ruhestand, lebt in Steinhagen.