Andacht vom 29. September 2013

29. September 2013, 18. Sonntag nach Trinitatis

Deutschland hat wieder einmal gewählt. Am vergangenen Sonntag sind Ziele erfüllt oder verfehlt worden, hat Freude und Genugtuung oder aber bittere Enttäuschung die Herzen derer erfüllt, die zur Wahl standen und am Abend mit dem Ergebnis ihrer Anstrengungen konfrontiert wurden. Dass fast 30 Prozent der Bundesbürger gar nicht gewählt haben und von den Wählerinnen und Wählern über 15 Prozent ihre Stimmen für Parteien abgegeben haben, die jetzt nicht im Parlament vertreten sind, ist sehr schade, aber wohl nicht zu ändern.

Wie geht es weiter in Deutschland? Ganz bestimmt auf dem Wege vernünftiger Absprachen und Vereinbarungen. Wie geht es weiter auf unserer Welt, mit ihren vielen kleinen und großen Konflikten und Brandherden? Da wird wahrscheinlich alles beim Alten bleiben, egal wer in Deutschland regiert. Brutaler Bürgerkrieg in Syrien - blutige Christenverfolgung in Pakistan - menschenverachtender Terror im Irak - elende Flüchtlingsschicksale an den Grenzen der reichen Länder. Ja, viel Schlimmes passiert jeden Tag, und die Frage nach Prozentpunkten und Mehrheitsverhältnissen sähe dagegen, im rechten Maßstab betrachtet, geradezu unbedeutend aus.

Was um Gottes Willen hindert uns Menschen eigentlich daran, auch im globalen Maßstab vernünftige Absprachen und Vereinbarungen zu suchen und zu treffen? Vielleicht wäre schon viel gewonnen, wenn wir uns einigen könnten, dass sich fast alle weltweiten Konflikte nicht auf die jeweilige Religion, sondern auf die Kluft Nord – Süd (man könnte auch sagen Reich – Arm) zurückführen lassen, und zwar innerhalb wie außerhalb Europas. Macht, Reichtum und Sicherheit - die einen haben das alles und hüten es eifersüchtig, die andern sind neidisch und feindselig - oder setzen, um ein kleines Stück davon zu erobern, manchmal sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel.

Dass der, der hat, davon auch abzugeben hat, hat sich wohl noch nicht gründlich genug herumge-sprochen. „Eigentum verpflichtet“, sagt das Grundgesetz. „Geben ist seliger denn nehmen“, sagt die Bibel. Und wem angesichts Not des Nachbarn nichts anderes einfällt als alle Fenster und Türen zu verrammeln, sich ruhig zu verhalten und zu hoffen, dass er am Haus vorbeigeht, der wird sich irgendwann um seine Seele bringen (vgl. Lukas 12,20). Also: Wir haben die Wahl – nicht nur am Wahlsonntag, sondern an jedem Tag unseres Lebens. Machen wir was draus!

von Christoph Grün, Schulpfarrer im Evangelischen Kirchenkreis Halle