Andacht vom 16. Februar 2014

16. Februar 2014 - Septuagesimae

Eine Geschichte zum Anfang:
Ein Betrunkener wankt nachts durch die Straßen, tastend von einem Alleebaum zum anderen. Schließlich trifft er auf eine Wand. Fein. Sie wird ihn ein Stück weiterbringen. Er darf nur den Kontakt mit ihr nicht verlieren. Und so tappt er mit beiden Händen dahin. Immer an der Wand lang. Was er nicht weiß: Die Wand ist eine Litfaßsäule. Er umwandert sie vertrauensvoll. Endlos. Schließlich kommt er selbst darauf, dass er im Kreise geht. Da entringt sich  ein Seufzer der Erleichterung seiner gequälten Brust: „Eingemauert.“

Eingemauert – Es gibt viele Menschen, die solchermaßen eingemauert sind, die in einem vielleicht nur eingebildeten oder wirklichen Gefängnis eingeschlossen sind, aus dem sie sich nicht befreien können. Für manchen ist dieses das Gefängnis die Sinnlosigkeit. Sie stellen die ewig gleichen Fragen nach dem Woher, Warum, Wozu und Wohin und finden darauf nie befriedigende, lebenswerte Antworten. Sie fühlen sich wie gelähmt, drehen sich im Kreise mit ihren Gedanken.

Es ist ein Teufelskreis, den man anscheinend nicht aus sich selbst heraus durchbrechen kann, so gerne man es möchte. Gefangen im täglichen Einerlei, in den Ansprüchen, die an uns gestellt werden, in den Rollen, die wir spielen müssen. Manchmal brauchen wir ein Stichwort, das uns weiterhilft. Aber eines, das tatsächlich Orientierung und Hilfe schafft.

Solche Stichworte können wir in der Bibel finden. Und ein solches Stichwort könnte ein Vers aus dem Matthäusevangelium (11, 28) sein: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Dies ist eine freundliche Einladung Jesu an jede und jeden von uns. Da lädt uns jemand ein, der uns befreien will aus unseren eingebildeten und tatsächlichen Gefängnissen, der uns Mut machen will. 

Dies mag sich auch der Betrunkene aus der Geschichte am Anfang gewünscht haben. Dabei hätte er es so einfach gehabt, sein „Gefängnis“ zu verlassen. Er hätte nur geradewegs, wenn auch unsicher und torkelnd, von der Wand fortzugehen brauchen. Aber er kam nicht auf die Idee.

Ich glaube, das liegt nicht nur daran, dass er „betrunken“ war. Sondern es ist grundsätzlich so, dass das Wort, das uns helfen kann, nicht aus uns selbst herauskommt, sondern es muss uns zugesagt werden. Es gibt viele Menschen, die darauf angewiesen sind, dass da einer kommt, quasi die Tür aufschließt, durch seine mitmenschliche Nähe und Wärme, durch Güte und Verstehen und uns mit auf den Weg nimmt – im Geiste dessen, der uns so freundlich einlädt, zu ihm zu kommen.

Von Andreas Aland, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Halle