Andacht vom 20. Juli 2014

20. Juli 2014 - 5. Sonntag nach Trinitatis

Als sie singend einzogen, hatte mich meine menschliche Neugier voll im Griff. Fieberhaft überlegte ich, wer nun von der Krankheit betroffen wäre und wer nicht. Unter den möglichen fast 40 Potentaten konnte ich nur eine ältere Frau ausmachen, bei der ich mir sicher war. Verraten hat sie einzig der rosa Plüschteddy, den sie liebevoll in ihrem Arm hielt.

Auf Unsicherheit und Verblüffung folgte die Freude: Der Chor für Menschen mit und ohne Demenz war eine fröhlich singende, ja mitreißende Gemeinschaft. Das Miteinander, das gemeinsame Singen, die geteilte Freude an den Melodien waren das Ausschlaggebende. Als sie dann auch noch Orff-Instrumente zu einem Musikstück von Mike Oldfield zum Klingen brachten, hatten sie mich nicht nur auf, sondern an ihrer Seite zusammen mit meinen Jugenderinnerungen.

Die Gedanken an die Vergangenheit machten eine Kehrtwendung ins Reich der Zukunftsträume. So stelle ich mir die Gemeinde vor, in der ich alt werden möchte: Gegenseitige Hilfe ist selbstverständlich, und was zählt, ist die gemeinsam geteilte Freude. – Bin ich nun eine naive Träumerin? Schließlich habe ich nur das Bühnenprogramm erlebt. Einen Blick hinter die Kulisse hatte ich nicht, ebenso wenig wie auf die Anstrengungen, Zeiteinheiten und Nerven, die ein solcher Auftritt gekostet haben muss.

Nein, ich glaube, hier habe ich in aller Vorläufigkeit einen Weg erlebt, auf dem die Hoffnung, die uns zugesagt ist, Wirklichkeit werden konnte: „Denkt an den menschlichen Körper: Er hat viele verschiedene Teile, und jeder Teil hat seine besondere Aufgabe; aber der Körper bleibt deshalb doch einer. Genauso ist es mit uns: Obwohl wir viele sind, bilden wir durch die Verbindung mit Christus ein Ganzes. Wir stehen zueinander wie Teile, die sich gegenseitig ergänzen. Wir haben verschiedene Gaben, so wie Gott sie uns in seiner Gnade zugeteilt hat. Diese Gaben sollen wir auch in der rechten Weise nutzen.“ (Römer 12, 4-6, Die Gute Nachricht.)

Von Beatrix Eulenstein , Pfarrerin mit sozial-diakonischen Aufgaben im Evangelischen Kirchenkreis Halle