Andacht vom 08. Oktober 2017

 

Wort zum 17. Sonntag nach Trinitatis, 08. Oktober 2017

Weltuntergang

1954 – das Jahr, als Deutschland Fußball-Weltmeister wurde. Das Land war wieder dabei, auf die Beine zu kommen. Das Wirtschaftswunder brummte. Und die Wirtschaften auch. Im Radio sang Will Glahé: „Wie schön ist doch das Leben auf dieser bunten Welt. Wir können einen heben so oft es uns gefällt.“ Die „Tausend Jahre“ waren plötzlich wie ein Tag, den man am liebsten vergessen wollte. Die Menschen waren Krieg und Tod entkommen. Die Trümmer waren noch nicht beseitigt. Aber es ging spürbar bergauf. Über den Weltuntergang konnten wieder Witze gemacht werden, um den Schrecken, der einem noch in den Knochen saß, irgendwie zu verdauen. Will Glahé sang: „Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang. Wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang.“
1954 war dieser Schlager ein Nr.1-Hit in Deutschland. Wenn die Zeiten gut sind, reicht ein witziger Schlager, um die Angst in Schach zu halten. Mitten im Untergang braucht es etwas anderes. Sätze mit Tiefgang. Diesen zum Beispiel: 1944 war er zum ersten Mal aufgetaucht. Angeblich von Martin Luther. Seitdem ist er ein geflügeltes Wort geworden: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Ein Satz, der so richtig zu Luther passen würde. Er kokettiert nicht mit dem Weltuntergang, sondern blickt ihm ernsthaft ins Gesicht.
„Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge…“ – Wie würde ich diesen Satz eigentlich fortsetzen? Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, … dann würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. – Dann wäre ich wie gelähmt. Und gleichzeitig panisch. – Dann würde ich meine Lieben zusammenrufen und die restlichen Stunden gemeinsam mit ihnen verbringen. – Aber wie, damit die Zeit nicht zu lang wird? – Vielleicht würden wir uns noch eine Aufgabe vornehmen. Bei der wir alle etwas zu tun hätten. Die uns ablenken würde. Die Spaß macht. Und Hoffnung. – Vielleicht wirklich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen?


Dr. Sven Keppler, Pfarrer in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Versmold