Andacht vom 19. Februar 2017

Wort Sonntag Sexagesimae, 19. Februar 2017

Mit zahlreichen Veranstaltungen, auch im Evangelischen Kirchenkreis Halle, wird in diesem Jubiläumsjahr an die Reformation durch Martin Luther erinnert, die mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen am 31. Oktober 1517 ihren Anfang nahm. Ein erster Höhepunkt war die großartige Aufführung des Oratoriums „Luther in Worms“ am vorigen Wochenende in der Haller St. Johanniskirche. Ein weiteres Glanzlicht wird das Pop-Oratorium „Luther“ am 11. März im ausverkauften Gerry-Weber-Stadion sein. In beiden Oratorien steht Martin Luther im Mittelpunkt, der 1521 vor dem Reichstag in Worms seine kirchenkritischen Aussagen widerrufen sollte.

An dieses Ereignis erinnert ein weithin sichtbares Luther-Denkmal in Worms. Auf einem hohen Sockel steht Martin Luther in stolzer Pose mit der Bibel in der linken Hand. Dazu passt der Satz, den Luther der ehrwürdigen Versammlung gesagt haben soll, als er zum Widerruf seiner Schriften nicht bereit war: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“ Mannhaft, heldenhaft wie das Denkmal. Doch dieser sagenhafte Satz ist so nicht gesagt worden, sondern geht auf eine spätere Legendenbildung zurück.

Dagegen sind einige völlig andersartige Worte des Reformators zuverlässig überliefert: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“ Diesen Satz fand man auf einem Zettel, den Luther zwei Tage vor seinem Tod geschrieben hatte. Luther starb am 18. Februar 1546, also genau vor 471 Jahren, in seinem Geburtsort Eisleben, wo er einen Streit schlichten wollte.

Mit diesem programmatischen Satz steigt der Erneuerer der Kirche vom hohen Podest herab, auf das er ohne seinen Willen gestellt worden ist, und gesellt sich zu den Abendmahlsgästen, die ihre leeren Hände ausstrecken und sich von Christus beschenken lassen.
Martin Luther wollte kein Glaubensheld sein, zu dem man aufschaut wie zu einem unerreichbaren Idol. Vielmehr wollte er den Blick auf Christus und das Evangelium, die frohe und befreiende Botschaft von der Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes, richten. Wenn dazu die Jubiläumsfeiern beitragen, ist es ganz im Sinne Luthers.

von Udo Waschelitz (Halle). Er war Kirchenjournalist und ist Laienprediger der Evangelischen Kirche.