Andacht vom 19. März 2017

Wort Sonntag Okuli, 19. März 2017

Ökumenisches Reformationsgedenken

Am vergangenen Sonntag hab' ich einen richtig schönen Gottesdienst mitgefeiert. Es handelte sich um einen Gottesdienst, bei dem die Reformation Thema war, und an dem – man höre und staune – evangelische und katholische Christen mitwirkten! Was vor ein paar Jahrzehnten noch völlig un-denkbar war, wurde Wirklichkeit. Beides wurde laut: Die Dinge, die Christen beider Konfessionen im Lauf der Geschichte den jeweils anderen angetan hatten. Und auch die Erfahrung, wie sich diese Schwierigkeiten innerhalb der vergangenen Jahrzehnte immer mehr in Luft aufgelöst hatten.

Der für mich spannendste Punkt im Gottesdienst war der, an dem ein Mitglied des Vorbereitungs-teams die Gemeinde fragte: „Was schätzen Sie an der jeweils anderen Konfession?“ Und als da wirklich viele, viele positive Rückmeldungen in beide Richtungen kamen. Und besonders der große Wunsch nach einem gemeinsamen Abendmahl wurde laut.

Im Nachgang habe ich mich gefragt: Was würdest Du auf diese Frage antworten? Und da meine Kirche irgendwie in der Mitte zwischen katholisch und evangelisch steht, habe ich mich das für beide Konfessionen gefragt.

An der evangelischen Kirche schätze ich ihre Weltoffenheit sowie die Nähe zu den Menschen und ihren Sorgen und Nöten. Ich schätze, dass sie sich – zumindest mehr und mehr – auf die Zukunft ausrichtet.
Und an der katholischen Kirche schätze ich grade das Gegenteil: Dass sie sich und ihren Glaubens-inhalten treu bleibt. Auch wenn ich mir ein gemeinsames Abendmahl selber wünschte: Ich respek-tiere und schätze sogar die Haltung der römisch-katholischen Kirche, die sagt: Bevor wir gemeinsam Abendmahl feiern, sollten wir klären, was wir darunter verstehen. Und so lange tun wir all die vielen Dinge gemeinsam, in denen wir uns schon einig sind.

Wie viele Dinge das sind, wurde im Gottesdienst deutlich – nicht zuletzt durch das sogenannte Agape-Mahl, das Liebesmahl, in dem Brot und Weintrauben durch die Bänke gereicht wurden. Ich fühlte eine große Nähe zu meinen Glaubensgeschwistern aller Konfessionen – und nicht mal das Kirchenrecht hatte was dagegen.

von Johannes Heicke, Pfarrer der SELK-Bethlehemsgemeinde