Andacht vom 08. Juli 2018

Andacht zum 6. Sonntag nach Trinitatis, 08. Juli 2018

Grenzland

Ein Besuch im Asylbewerberheim mit drei Schülern im Sozialpraktikum, während das Land um seine Regierung bangt. Ein syrischer Familienvater kommt in die Gemeinschaftsküche, wo wir sonst gemeinsam Deutsch lernen, grüßt uns, zückt sofort sein Handy und zeigt uns erschüttert die Trümmer eines Hauses. Bis vor ein paar Tagen hatten dort seine älteste Tochter mit Mann und zwei kleinen Kindern gewohnt. Das Foto hatte er an diesem Morgen erhalten. Es waren Bomben von Assads und Putins Armeen über Südsyrien.
Der verzweifelte Vater schüttelt den Kopf. Er lädt uns ein in das Zimmer, in dem er mit seiner Frau und den kleineren Kindern lebt. Auch die Älteste ist nun auf der Flucht.
Doch - wohin kann man im Grenzland schon fliehen? Nach Damaskus sind es 18 unüberwindbare Kilometer. Also nach Süden, an die Grenzen, weil dort nicht gebombt wird. Jordanien, Israel: Alle Übergänge sind geschlossen. Es gibt kein Durchkommen, und, was das Schlimmste ist, kein Wasser. „Gestern sind dort 15 Kinder gestorben, weil es nichts zu trinken gab.“ Die Mutter der Familie weint - und schenkt uns Gästen auf den Bettkanten reichlich Saft ein.
Als Jesus einmal sehr erschöpft war, überschritt er die Grenze Israels nach Norden, nach Syrophönizien, ruhte dort aus, wo nun Bomben fallen. Da kommt eine Einheimische zu ihm, fleht ihn an, ihrer kranken Tochter zu helfen. „Ich bin nur gesandt zu den Schafen des Hauses Israels“, weist er ihr Anliegen zurück. Als sie weiter bittet, wird er schroff: „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“ - Die Bittende entgegnet: „Ja, Herr, und doch fressen die Hunde von den Krumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“ Jesus ist beeindruckt vom Mut und Glauben der Frau. Ihre Tochter wird gesund und Jesus hat etwas über sich selbst und seinen Auftrag gelernt: Es kommt auf den Menschen an und nicht auf seine Herkunft oder Religion.
Was lernen wir? Was ist unser Auftrag? Im bald abgeschotteten Grenzland mit Jesu Kreuz an der Wand?

Pfarrerin Anja Keppler ist Pfarrerin der Ev. - Lutherischen Kirchengemeinde Versmold