Andacht vom 23. Dezember 2018

Andacht zum 4. Advent, 23. Dezember 2018

Eine schöne Erinnerung aus meiner Kindheit war das Backen für die Advents- und Weihnachtszeit. Meine Mutter war eine begnadete Bäckerin, und wir Kinder freuten uns auf ihre Kreationen. Nach ihrem Tod habe ich die handgeschriebenen Rezepte meiner Mutter aufbewahrt. Und wir versuchten jedes Jahr im Advent, danach Plätzchen zu backen. Jedoch stellte uns das Ergebnis nicht wirklich zufrieden. Die Plätzchen waren ganz gut, aber keineswegs so gelungen wie bei meiner Mutter. Merkwürdig – waren sie doch nach denselben Rezepten gebacken.

Ein Rezept ist offensichtlich nur vollständig, wenn das nötige „Händchen“ den Köstlichkeiten den letzten Schliff gibt. Mir fehlte dieses „Händchen“ offensichtlich. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis unsere Plätzchen annähernd den Geschmack hatten wie in meiner Kinderzeit. Wir hatten zumindest nie aufgegeben und es immer neu versucht.

In der Advents-und Weihnachtszeit wiederholen sich Jahr für Jahr viele Traditionen, die wir liebgewonnen haben. Weihnachten feiern wir jedes Jahr ein Ereignis: Gott wird Mensch, und mit ihm kommt sein Frieden in die Welt. Mit einer friedlosen Welt gibt Gott sich nicht zufrieden. Sein Plan ist der welt- und menschenumfassende Frieden. Sein Sohn Jesus Christus kommt als Bringer und Garant für Gottes Frieden. Jesus wird in seinem Leben Gottes Frieden in Worten und Taten erklären. Er bekennt sich zu den Menschen, die am Rande seiner Gesellschaft stehen. Vermeintliche Sünder lädt er ein, in Gottes Friedensreich einzutreten, ebenso wie die religiöse Elite. Bei Gott ist keiner außen vor. Das ist wahrer Frieden.

Damals wie heute können Menschen von Jesus lernen, was Frieden ist und wie er funktioniert. Warum aber entfernen wir uns von der Menschenfreundlichkeit Gottes? Fehlt uns etwa das „Händchen“ des Meisters und Friedensbringers? Dennoch gilt es nicht aufzugeben, am Rezept des Friedens weiter zu arbeiten.

In den vergangenen Monaten erlebten wir in Versmold ein mitmachendes Signal. Mehrere Wochen kamen jeden Montag etwa 150 Menschen in die evangelische Petrikirche zum Friedensgebet. Sie brachten vor Gott ihre Trauer und Wut gegen Menschenverachtung und Ausländerhetze, wie wir sie in deutschen Städten erlebt haben. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ An dieses Gebot des Grundgesetzes haben wir uns und andere Menschen in Schweigemärschen erinnert.

Wir wollen von Jesus lernen, wie ein Frieden gelingt, in dem Menschen aller Rassen, Nationen und religiösen Traditionen einbezogen sind. Weihnachten ist wieder eine gute Gelegenheit, bei Jesus Nachhilfeunterricht zu nehmen.

Von Rüdiger Schwulst, Pfarrer für Religionsunterricht an den Schulen des CJD in Versmold