Wort zum Sonntag Okuli, 17. März 2019
Böse Helden
Acht Verbrecher überfallen die spanische Banknotendruckerei. Sie nehmen die Angestellten als Geiseln – und eine Schulklasse, die gerade das Haus besichtigt. Tagelang wollen sie das Gebäude besetzen und mehrere Milliarden Euro drucken. Gesteuert wird der Überfall von einem Superhirn, das verborgen bleibt: von dem so genannten Professor. Und ich zittere die ganze Zeit mit, dass der Coup gelingt!
15 Stunden lang verfolge ich die Geschichte im Fernsehen. „Haus des Geldes“ ist die erfolgreichste Serie auf Netflix, die nicht in Englisch gedreht wurde. Alle Täter sind irgendwie sympathische Typen. Eine braucht Geld, um das Sorgerecht für ihren Sohn zu erstreiten. Ein anderer ist unheilbar krank und träumt von einem sorgenfreien Lebensende. Ein Hitzkopf erobert alle durch seine meckernde Lache. Und der Professor möchte den Plan vollenden, den sein Vater vor seinem Tod entwickelt hat.
Natürlich haben sie alle auch Schwächen. Sie sind sprunghaft, schwermütig oder sadistisch. Aber alle haben irgendwie ein gutes Herz. Eine der Geiseln verliebt sich in einen Täter und bekommt den Decknamen Stockholm. Die leitende Beamte verliebt sich ausgerechnet in den Professor, der außerhalb der Druckerei unterwegs ist. Mit der Zeit werden sie als neue Robin Hoods zu den Lieblingen der Medien. Sie erobern die Herzen, weil sie sich beim Staat bedienen wie sonst nur die maroden Banken.
Eine verkehrte Welt – man fiebert mit den Tätern! So ist es meistens bei den so genannten Heist-Movies. Als Zuschauer sehe ich das Geschehen mit den Augen des Räubers. Ich verstehe seine Motive und zittere wie er um den Erfolg.
So ähnlich stelle ich mir auch Gott vor. Er liebt seine Geschöpfe. Die vielen Krummen und die wenigen Geraden. Aber bei Gott ist etwas anders. Er unterscheidet zwischen Täter und Tat. Er liebt mich, auch wenn ich versage. Aber er liebt nicht das Schlechte, das ich tue. Gott würde wohl hoffen, dass die Truppe des Professors nicht untergeht. Aber wäre nicht damit einverstanden, dass sie belohnt wird.
von Dr. Sven Keppler, Pfarrer in der Ev. - Luth. Kirchengemeinde Versmold