Andacht zum 01. Januar 2023

Tun–Haben-Sein. Das scheint das vorherrschende Lebensprinzip unserer Gesellschaft zu sein. „Schaffe, schaffe, Häusle baue!“ Es wird etwas getan -> gelernt, gearbeitet, errichtet, erbaut, erschaffen, erreicht… Daraufhin erlangen die Menschen einen Verdienst, ihr Haben ist das Gehalt, ein Abschluss, ein gutes Ansehen, eine schöne Wohnsituation, Einfluss, Erfolg. Dann erst sind sie etwas. Sie sind wer, weil sie etwas getan haben und an ihren Errungenschaften ihren Wert aufzeigen können. - Die Jahreslosung für 2023 scheint dieses Lebensprinzip umzudrehen, von hinten nach vorne zu stellen in: Sein-Haben-Tun. Denn „Du bist ein Gott, der mich sieht“ (1. Mose 16,13) bedeutet, ich bin, weil Gott mich sieht. Mein Sein, das Sein eines jeden Menschen hat in dem Ansehen Gottes seinen Grund und Ursprung. Zugleich haben wir etwas, wir erhalten durch Gott unseren Wert als sein einmaliges Geschöpf. Wir sind wertvoll, einfach, weil wir sind, von Gott geschaffen und ins Leben gerufen wurden. Dadurch befähigt uns Gott zu einem Tun, das dem Wert, den er uns je einzeln zusagt, entsprechen kann. Ein Tun, das nicht nur auf die eigene Fußspitze gerichtet ist, sondern die Weite, die der göttliche Blick auf mich beinhaltet, mit aufnimmt. Auch wenn Gott sein Ansehen ganz persönlich auf jede und jeden einzelnen von uns richtet, so ist es gleichzeitig zielgerichtet auf alle und alles, was er geschaffen und mit Leben erfüllt hat. Das ist die Dimension, in der ich handeln kann, darf und auch sollte. Riesig und gewichtig wertvoll ist sie und etwas einschüchternd. Darum nehme ich abschließend ein Mut machendes Sendungsvotum von Desmond Mpilo Tutu auf: „Seid Hoffnungsträger, lasst euch neu dazu ermutigen, geht von hier in die Welt und verkündet: Diese Welt ist Gottes Welt und Gott hat das letzte Wort. Diese Welt ist für das Schöne und Gute gemacht, in dieser Welt soll Frieden herrschen, Freundschaft und Zuneigung, und Gott sagt: Ihr seid alle meine Kinder, die zu Gott sagen können Abba: Abba, Vater Gott.“ 

  

Beatrix Eulenstein ist Pfarrerin mit Sozial-Diakonischen Aufgaben im Kirchenkreis