Andacht zum 05. Februar 2023

„Wer denkt denn schon an so was?!“ Sätze wie dieser sind zu hören, wenn eine Hiobsbotschaft eingetroffen ist. Es hat sich etwas ereignet, womit der Betroffene im Ernst nicht gerechnet hat und das nun sein Leben gründlich durcheinander bringt. 

Immer wieder bestätigt sich die augenzwinkernde Redensart: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Trotz aller Vorsorge und Absicherung bleibt das Leben auch in einer durchrationalisierten Welt wie der unsrigen voller – leider eben auch – böser Überraschungen. Wenn wir so obenhin über die Schulter einander zurufen: „Bis bald!“, wollen wir uns nicht wirklich vorstellen, dass es auch kein Wiedersehen mehr geben könnte. Täten wir es, würde unsere Verabschiedung sicher anders ausfallen: zugewandter, einfühlsamer, konzentrierter.

In biblischer Zeit verhielt es sich damit noch anders. Da war jede Reise, schon jeder Ortswechsel ungleich beschwerlicher und gefährlicher als heutzutage. Und Möglichkeiten der Telekommunikation jenseits von Botengängen gab es gar nicht. Wann immer sich die Wege trennten, segnete man deshalb einander mit Worten und Gesten. Der Segen war den Menschen heilig, denn man wusste sich durch ihn „von guten Mächten wunderbar geborgen“ – und begleitet von mehr als nur guten Wünschen. Zudem blieb im Segen der Segnende dem Gesegneten gegenwärtig auf Schritt und Tritt.

Noch bis vor einigen Jahrzehnten gab es in katholischen Gegenden etwa den Brauch, den Kindern, wenn sie morgens das Haus in Richtung Schule verließen, mit Weihwasser ein Kreuz auf die Stirn zu zeichnen (genau das meint übrigens das lateinische Lehnwort „segnen“). Diese Gewohnheit ist, wie viele andere familiäre Segensriten, wohl endgültig verloren gegangen. 

Aber im Wissen um die Unverfügbarkeit dessen, was uns in der Zukunft erwartet, sollte ein Wort zum Abschied, selbst wenn er nur auf kurze Zeit berechnet ist, mehr beinhalten als bloß ein saloppes „Bis nachher!“ oder „Mach’s gut!“. Wer nämlich realistischerweise auch an „so was“ denkt, darf, will er es so schon nicht sagen, es doch wenigstens im Stillen für sich hinzufügen: Gott befohlen!

Hartmut Splitter ist Pfarrer in Werther