Am morgigen Sonntag begehen wir das Erntedankfest. Am Ende der Erntezeit nehmen wir uns Zeit, auf den eingeholten Ertrag zu blicken und Danke zu sagen. Danke für die Arbeit und die Bemühungen, die sich viele Arbeiterinnen und Arbeiter in der Landwirtschaft machen. Danke aber auch und vor allem an Gott, der alles wachsen und reifen lässt. Darüber denken wir nach mit einem Wort aus dem 145. Psalm: „Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.“
Vielen von uns fällt es schwer, in dieser Zeit zu danken. Eher sind ihre Gedanken geprägt von Angst um die Zukunft des Einzelnen, von Familien, des Landes, der Welt. Wachsende Existenzsorgen führen zu weniger Vertrauen auf anerkannte Strukturen und Autoritäten. Kriegs- und Krisenherde wie in der Ukraine und im Nahen Osten schaffen immer mehr Ängste um den Frieden auch in unserem Land. Und die wachsende Gewalt auf den Straßen und großen Veranstaltungen und die zunehmende Radikalisierung in Teilen der Bevölkerung kommt uns immer näher.
Extremistische Gruppen und Parteien in Europa, die immer mehr Macht gewinnen, instrumentalisieren diese Ängste, schüren die Ängste und versuchen die Gesellschaft, die ja eigentlich eine Gemeinschaft sein sollte, zu spalten. Doch ihre einfachen Antworten auf eine schwierige Zeit zeigen keinen Weg in die Zukunft.
Worauf vertrauen wir in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen? Morgen am Erntedanktag bekommen wir einen Impuls, der uns jedes Jahr zu positivem Denken ermuntert. Das Wort „Denken“ ist schließlich verwandt mit dem Wort „Danken“. Wir danken dem, der uns zu jeder Zeit einlädt zu dankbarem Vertrauen. Wir dürfen unser Vertrauen auf Gott setzen, der der vollkommene Grund ist für Verlässlichkeit und Treue. Gott, der „uns Speise gibt zur rechten Zeit“. Gott, der Menschenfreund, der gute Hirte, der seine Herde weidet und nicht im Stich lässt. Wir haben Grund zum Dank und zur Hoffnung. Denn wir haben einen Gott, dessen Liebe alle Gewalt und Menschenverachtung in den Schatten stellt. Daran dürfen wir morgen wieder denken und danken.
Rüdiger Schwulst ist Pfarrer in Versmold