Andacht zum 19. Januar 2025

Was hält uns als Gesellschaft zusammen? Wie gelingt das Miteinander innerhalb eines Ortes, innerhalb eines Landes und auch zwischen den Staaten?

Zusammenhalt ist auch das Anliegen des Apostel Paulus in seinem Brief an die multikulturelle christliche Gemeinde in Rom. Er gibt seinen Lesern aber keine Vielzahl von Regeln, sondern beschreibt die grundlegende Haltung, aus der heraus Christen anderen Menschen begegnen sollen. „Liebt einander von Herzen als Geschwister“. Wie man dann in einer konkreten Situation seinem Gegenüber zum Unterstützer, zur Unterstützerin werden kann, das soll jeder selbst phantasievoll entwickeln und in Freiheit entscheiden.

Was Paulus aber sehr wohl benennt, ist der weite Raum, in dem diese geschwisterliche Liebe gilt. Sie gilt nämlich nicht nur in der eigenen Familie und für Menschen, die ähnliche Werte vertreten wie ich und die sich in einer ähnlichen gesellschaftlichen Position befinden. Es ist unerlässlich, im Gespräch mit allen zu bleiben. Niemanden völlig auszugrenzen.

Und so nimmt der Apostel sogar den Gedanken Jesu von der Feindesliebe auf. „Segnet auch die Menschen, die euch verfolgen.“ Ein hoher Anspruch. Aber weniger anspruchsvoll geht es nicht, wenn man sich auf den Gott beruft, der aus Liebe zu allen Menschen in unsere Welt gekommen ist.

Auch Menschen, die sich am Rand der Gesellschaft befinden, nimmt Paulus - in der Tradition Jesu, dem jeder Mensch gleich wertvoll war - in den Blick. Er erinnert die Christen:  „Werdet nicht überheblich, sondern lasst euch auf die Unbedeutenden ein.“ Vor zweitausend Jahren konnten Sklaven in der christlichen Gemeinde Akzeptanz und Wertschätzung erfahren.

„Liebt einander von Herzen als Geschwister.“ Wenn wir uns daran ausrichten, würde es auch heute für Menschen, die am Rand stehen und leicht vergessen werden, bedeuten: gesehen zu werden, als individuelle Personen mit Namen angesprochen zu werden.

Das wäre für uns alle ein Gewinn, es würde unseren Zusammenhalt stärken.

 

Silvia Schultz ist Pfarrerin im Ruhestand