ANDACHT 1. Sonntag nach Trinitatis (22. Juni 2025)
Haben Sie dieses Jahr etwas selber eingepflanzt? Im Garten oder auch im Topf auf der Fensterbank? - Gemüse oder Kräuter? Bei mir ist es die Chili-Pflanze, die ich vom Samenkorn an auf der Fensterbank erst gezogen, und dann bei passendem Wetter ins Freie gepflanzt habe. Jeden Tag schaue ich, ob ich die ersten Blüten sehe. Auf die roten, scharfen Früchte muss ich noch einige Zeit warten.
„Gut Ding will Weile haben“, so sagt es der Volksmund. Und spätestens bei der Gartenpflege wird dieser Spruch ganz praktisch. Viele Dinge gehen im Alltag mittlerweile ganz schnell, z.B. das Bestellen von Dingen im Internet. Daran kann man sich leicht gewöhnen. Das Pflanzen und Wachsen demgegenüber dauert und dauert und dauert. Da ist Geduld gefragt.
Für uns Christen beginnt mit dem heutigen Sonntag die zweite Hälfte des Kirchenjahres: die „Zeit nach Trinitatis“. Es ist die lange und etwas eintönigere Zeit bis zum Ende des Kirchenjahres am Ewigkeitssonntag im November. Sie hat die Farbe grün, weil es um das Wachsen geht. Aber nicht um die Pflanzen im Garten, sondern um das Wachsen des Glaubens. Nachdem Gott an den großen Festen Weihnachten, Osten und Pfingsten die wichtigen Dinge getan hat, ist nun das Wachsen dran: der Glaube ist gepflanzt, nun kann er wachsen. Und das dauert.
Ich bin eher ein ungeduldiger Mensch. Mir selber gegenüber, aber auch anderen Menschen. Gott hat Zeit. Er ist geduldig. Manchmal scheint es mir, dass Gott uns am Bild der Natur lehren will, Geduld zu üben, geduldig zu sein. „Ein Geduldiger ist besser als ein Starker“ heißt es im Sprüchebuch der Bibel. Wie entspannt könnte es sein, wenn wir lernen den Satz zu sagen: „Ich habe Zeit!“ - Denn: wir haben und brauchen Zeit, um in Glaube, Liebe und Hoffnung zu wachsen. Wir brauchen die Sonne der Liebe Gottes, den Regen schwerer Tage und den Dünger guter Worte. Gott gibt uns die Zeit, die wir brauchen. Er hat Geduld. Das können wir auch von den Pflanzen lernen.
Nicolai Hamilton ist Pfarrer in Halle/Westf.