Andacht zum 23. Februar 2025

Deutschland hat – wieder einmal – die Wahl. Von allen Urnengängen auf den verschiedenen politischen Ebenen hat die Bundestagswahl, nicht nur gefühlt, das größte Gewicht. Dieses Mal steigern zudem besondere Begleitumstände ihre Brisanz: vorzeitiges Ende der bisherigen Regierungskoalition, deshalb verkürzter Wahlkampf; bedrohliches Erstarken der äußersten Rechten (und Linken); Streit bis aufs Blut unter den staatstragenden Parteien (trotz aller selbstverpflichtenden Appelle zur Mäßigung) – und das alles vor der Kulisse sich verschärfender Krisen und Kriege sowie einer aufs neue irrlichternden US-Administration, die aber weiterhin als weltweit wichtigste Ordnungsmacht gilt.

Der angespannten Gemengelage lässt sich zumindest insofern auch etwas Positives abgewinnen, als das wohlfeilste Argument der Wahlmuffel – es sei letztlich doch eh egal, wo jemand sein Kreuzchen macht, weil sich ja so oder so nichts wirklich ändere – nun beim besten Unwillen nicht mehr verfängt. Deutschland steht wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik am Scheideweg zwischen der freiheitlich-demokratischen oder einer autoritär-repressiven Staatsform.

Auch wenn die Bibel nicht als frommer „Wahl-O-Mat“ taugt, lassen sich aus ihr durchaus Leitlinien für eine wohlbegründete Wahlentscheidung gewinnen. Ein zentraler Prüfstein ist dabei zweifellos die Wahrhaftigkeit. Sie wird schon in den Zehn Geboten gefordert und stellt eine Grundvoraussetzung für das gesellschaftliche Zusammenleben dar. Gerade sie aber ist in Zeiten von (a-)sozialen Medien und KI-gestützten Desinformationskampagnen mehr denn je gefährdet. Leider sind die wenigsten „Fakes“ so offensichtlich wie die kuriose, kürzlich allen Ernstes seitens einer Kanzlerkandidatin vorgetragene Behauptung, Hitler sei Kommunist gewesen.

Es kann gewiss nicht darum gehen, einzelnen Politikschaffenden subjektive Ehrlichkeit zu- oder abzusprechen, so wenig wie persönliche Sympathiewerte den Ausschlag geben dürfen. Eher empfiehlt sich da schon eine Art Realitätscheck: Haben die meist vollmundig klingenden Wahlversprechen eine Chance, zumindest ansatzweise um- bzw. durchgesetzt zu werden? Und welche Kosten (die keineswegs bloß in Euro zu bepreisen wären) stünden dem zu erzielenden Nutzen gegenüber? Inwiefern sind die jeweiligen Parteigranden überhaupt willens, dem Wahlvolk auch die Kehrseiten des von ihnen propagierten Regierungshandelns zu erläutern? Etwa „mehr Geld für …“ zu fordern, hört sich in aller Regel erst mal gut an, aber mit einem alten Karnevalsschlager ist immer mindestens auch gleich zu fragen: „Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?“

In einer parlamentarischen Demokratie seine Stimme abzugeben, ist ein großes Vorrecht und zugleich eine verantwortungsvolle Aufgabe. Auch hier gibt die Bibel in Gestalt der aktuellen Jahreslosung (1.Thess. 5,21: „Prüft alles und behaltet das Gute“) einen hilfreichen Fingerzeig: Nehmt alle Parteien unter die Lupe – und dann wählt die beste!

Hartmut Splitter ist Pfarrer i.R.