Andacht vom 16. September 2018

Wort zum 16. Sonntag nach Trinitatis, 16. September 2018

Im Urlaub durfte ich die außergewöhnlich schöne Arena-Kapelle in Padua in Italien besuchen. Der Maler Giotto hat sie im 14. Jahrhunderts ausgemalt. Wunderbare Fresken erzählen über Jesu Leben. Darunter stehen in Form von Figuren die drei Haupttugenden: Glaube, Hoffnung, Liebe, und die vier daraus erwachsenen Haltungen: Klugheit, Tapferkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit.

Ich denke, wie schön sähe es im Weißen Haus, auf den Straßen in Chemnitz, im Gespräch über die lieben Nachbarn aus, wenn wir uns an diesen Tugenden mehr orientieren würden. Wie viel mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt würde es geben! Nun erleben wir im persönlichen Bereich, wie aber auch in der immer schärfer werdenden politischen Diskussion, dass wir daran scheitern, solche Haltungen zu verwirklichen.

Eine Beobachtung in der Kapelle kann uns einen Weg aus dem Dilemma weisen. Zunächst ziehen einen die bunten Darstellungen aus Jesu Leben in den Bann. Stunden könnte man hier verbringen, um die lebendigen Szenen in sich aufzunehmen. Erst später, wenn man sich schon sattgesehen hat, fällt der Blick auf die weiter unten in Grautönen gemalten Tugenden. Ist das bewusst geschehen?

Auf jeden Fall ist es mir ein Hinweis, dass es zunächst um den Glauben geht. Wenn ich mich vertiefe in Jesu Leben, mein Vertrauen auf Gott setze, dann erwachsen daraus die Tugenden. Der Glaube ist sozusagen das Wurzelwerk von modernen Tugenden wie Aufrichtigkeit, Respekt, Mitmenschlichkeit, Courage – oder den  mittelalterlichen Tugenden von Klugheit, Tapferkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit. Ein Leben im Vertrauen auf Gott führt zu der Haupttugenden: Hoffnung, gegen jede Angst zu kurz zu kommen, Hoffnung, dass jeder und jede von uns eine Zukunft hat schon jetzt und dereinst in der Ewigkeit. Glaube führt zu einem Leben in Liebe, das den anderen Menschen um seiner selbst willen sieht. Die anderen sind dann für mein Leben wichtig und wertvoll, wie anders und anstrengend sie auch sein mögen. So entsteht mehr Gemeinschaft untereinander, die wir dringend brauchen. Wir sind eingeladen uns zu diesen Tugenden von Gott befähigen zu lassen.


Silke Beier ist Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde Werther.