Ein Wort ist augenblicklich in aller Munde: Polykrise. Russlands Angriff auf die Ukraine, der Terror der Hamas und der Krieg in Gaza, der Klimawandel mit seinen Auswirkungen, die steigende Anzahl flüchtender Menschen weltweit und vieles mehr beschäftigen und belasten die Menschen. Auch die Kirchen werden oft mit dem Wort Krise in Verbindung gebracht: Fachkräftemangel, Schließungen von Gebäuden, Kirchenaustritte und nicht zuletzt das durch die ForuM-Studie wieder aktuelle Thema sexualisierte Gewalt in Machtstrukturen stehen im Fokus.
„Überall riecht es nach Krise, und zwar nach einer vielfachen Krise, nach Polykrise eben. Nicht zuletzt in unserer Kirche. Aber ich wittere auch Morgenluft“, sagt Dr. André Heinrich. Der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Halle deutet die Situation auch als eine tiefgreifende gesellschaftliche Neuordnung von Verantwortung sowie von Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten. Dies müsse jedoch nicht in erster Linie ein Risiko, sondern könne allem voran ein Bündel von Chancen sein. „Gerade für uns als Evangelische Kirche! Manche in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten aufgestaute Unzufriedenheit kann heute bearbeitet werden. Und zwar so, dass Mitglieder wie Mitarbeitende sich neu und weitgehender und zu ihrer Zufriedenheit mit ihrer Kirche identifizieren können“, sagt Heinrich. „Wir müssen uns zwar diese Vielzahl von Krisen vor Augen führen und auch die seltsame Stimmung im Land, aber wir müssen auch Handeln. Die Krise ist auch eine Chance, die Dinge neu zu ordnen, alte Zöpfe abzuschneiden, neues auszuprobieren“.
Kreissynode tagt in Werther
Unter diesem Credo soll auch die am 7. Juni in Werther stattfindende Kreissynode stehen. Die Kreissynode ist das Organ, das den Kirchenkreis leitet und die Gesamtverantwortung für sein kirchliches Leben hat. Sie setzt sich zusammen aus den gewählten Pfarrerinnen und Pfarrern im Kirchenkreis, Delegierten aus den Gemeinden und weiteren berufenen Mitgliedern. Im Kirchenkreis Halle besteht die Synode aus ca. 60 Personen. Sie tagt zweimal im Jahr, wählt die Superintendentin oder den Superintendenten, den Kreissynodalvorstand und die anderen leitenden Ausschüsse des Kirchenkreises, beschließt den Haushalt und den Stellenplan für den Kirchenkreis und wirkt auch an den Entscheidungen der Landeskirche mit.
Auf der Sommersynode stehen neben Berichten von der Landessynode, aus den Gemeinden und synodalen Diensten eine Einleitung der Änderung der Kreissatzung und Wahlen auf dem Programm. Nach den Presbyteriumswahlen im Februar müssen nun auch die Vertreter für die Ausschüsse neu gewählt werden, ebenso die neuen Delegierten für die Landessynode. „Wir haben 120 Nominierungen für unsere 10 Ausschüsse, es ist enorm, wie sehr die Menschen bereit sind sich ehrenamtlich einzubringen und mitwirken wollen“, sagt Pfarrer Jörg Eulenstein, Vorsitzender des Nominierungsausschusses.
Diese Neuwahlen sind auch eine Gelegenheit, zu hinterfragen, wie die Ausschüsse arbeiten, ob die Gremienstruktur noch zeitgemäß ist. So werden zum Beispiel die bisherigen Ausschüsse für Mission, Ökumene und Weltverantwortung sowie für Umwelt und gesellschaftliche Verantwortung fusionieren, um eine intensivere und zielgerichtete Arbeit zu ermöglichen. „Und das ist keine Sparmaßnahme von uns, sondern der ausdrückliche Wunsch der Ausschussmitglieder. Unsere hochengagierten Ehrenamtlichen haben selbst angeregt, aufgrund der Themenüberschneidungen enger zusammen zu rücken und haben bei einem Wochenendworkshop die neue Ausrichtung erarbeitet“, erklärt die Öffentlichkeitsbeauftragte des Kirchenkreises, Kerstin Panhorst.
Kirche aktiv mitgestalten
Die Menschen bekommen die Gelegenheit ihre Kirche der Zukunft mitzugestalten, damit sie sich weiterhin mit ihr identifizieren können. „Viele, die austreten, machen dies nämlich nicht, weil sie nicht mehr Glauben oder der Kirche fern sind. Sie können nur mit dem Prinzip der Kirchensteuern, wie sie heute sind, nichts anfangen und möchten lieber sehen, wohin ihr Geld fließt“, sagt Jörg Eulenstein. Deswegen müsse man auch über neue Formen der Mitgliedschaft nachdenken, über flexiblere Strukturen. „Wir müssen die Ohren aufsperren und zuhören: Was wollen die Menschen eigentlich?“.