Wie schön muss es sein, beim Eintritt in den Ruhestand sagen zu können, dass man mit Menschen etwas gemeinsam bewegt hat. Die Gelegenheit bekommen zu haben, an manchen Orten manchmal die Welt ein wenig besser machen zu können. Zufrieden blickt Pfarrerin Silvia Schultz auf ihr Berufsleben zurück. Ungefähr 1.000 Sonntagsgottesdienste hat sie geleitet, 350 Menschen getauft, mehr als 500 Jugendliche zur Konfirmation geführt, ungefähr 90 Trauungen vorgenommen und circa 750 Menschen beerdigt.
Silvia Schulz wurde 1959 in Bielefeld geboren und bestand dort, einen Tag vor ihrem 18. Geburtstag, das Abitur. Früh keimte in ihr der Wunsch, Pfarrerin zu werden. Nach dem Studium in Münster, Göttingen, Wien und Marburg, einem Vikariat in Vlotho, den zwei Theologischen Examen in Bielefeld und Zeiten als Pfarrerin im Entsendungsdienst in Löhne und Spenge, wurde sie 1989 ordiniert.
Am 1. September 1990 begann sie als Pfarrerin in Borgholzhausen, zum 30. Juni dieses Jahres hört sie auf. Es fehlen also nur wenige Wochen an 34 Jahren in der Bergstadt. Eine lange Zeit, in der sich vieles verändert hat. „Als ich damals anfing, war die Arbeit mit Kindern vakant“, blickt die Ruheständlerin zurück. Sie initiierte die Kinderbibelwoche, die seit den 90er Jahren einmal jährlich in Borgholzhausen stattfindet, seit 10 Jahren ökumenisch, in den letzten Jahren an außergewöhnlicher Stelle: in der Natur im Bönkerschen Steinbruch. „Ich hatte mit Menschen jeglichen Alters zu tun“, so Schultz. Gemeinde eben. Gemeinde bedeute Vielfalt mit allen Stationen des Lebens zu tun zu haben, betont sie. Auch Die Ökumene liege ihr sehr am Herzen, Kirchentage sowie gemeinsame Gottesdienste gehören dazu. Bei den Weltgebetstagen, die die Lebensbedingungen in fremden Ländern aufzeigen, kommt noch ein anderer Aspekt dazu, der ihr wichtig ist: die Bewahrung der Schöpfung - Umweltschutz und Kampf gegen den Klimawandel. Immer etwas Neues ausprobieren, so wie die drei Nächte der offenen Kirchen, die sie in guter Erinnerung hat. Überhaupt Veranstaltungen im Gotteshaus, die anders sind als Gottesdienste, befürwortet sie als zusätzliches Angebot für die Gemeinde.
In Leitungsaufgaben hat sich Silvia Schultz lange Jahre eingebracht. 12 Jahre war sie im Kreissynodal-Vorstand tätig, einige Zeit führte sie den Vorsitz des kreiskirchlichen Kindergarten-Ausschusses.
Kirche werde sich ändern und das sei ihrer Meinung nach spannend und eine Chance. Die Pfarrer/innen könnten nicht mehr alles machen. Ehrenamtliche seien mehr gefordert und würden von den Hauptamtlichen begleitet. Ein gutes Beispiel sei das Café auf dem Kirchplatz, das Jung und Alt in den Sommermonaten Gemeinschaft biete und von Ehrenamtlichen durchgeführt wird. Oder die Wanderungen mit gemeinsamem Essen, die anstelle von Gemeindefesten angeboten würden.
In Borgholzhausen gab es vor gut 30 Jahren 5.000 Gemeindeglieder, jetzt sind es 3.500. Das ist ein Grund, warum ihre Pfarrstelle nicht neu besetzt wird. Pfarrerin Birgit Gillmann aus Bockhorst wird sich einen Teil der Aufgaben mit Christian Eckey, dem einzig verbleibenden Pfarrer in der Bergstadt, teilen. Sie übernimmt sowohl einen Seelsorge-Bezirk (unterhalb der B 68) als auch den diesjährigen Konfirmandenjahrgang. Auch beim Frauenfrühstück, das zweimal jährlich stattfindet, wird sie im Organisationsteam sein.
Im feierlichen Gottesdienst, in dem Pfarrerin Silvia Schultz verabschiedet wurde, fand man in der Kirche keinen freien Platz mehr. Superintendent Dr. André Heinrich entpflichtete sie von ihren Aufgaben, Mitglieder des Presbyteriums erteilten ihr Segenswünsche und beim anschließenden Empfang gab es nicht nur zahlreiche Geschenke, die Menschen, die die Pfarrerin über so viele Jahre begleitet hat, verabschiedeten sie mit anerkennenden und wertschätzenden Worten sowie viel Dank in den Ruhestand – allen voran Bürgermeister Dirk Speckmann.
Wie geht es nun weiter? „Ich war immer schon gern mit den Händen kreativ, aber oft fehlte mir die Zeit. Ich habe mich für die Sommerakademie angemeldet. Für zwei Kurse, Steinbildhauerei und Zeichnen.“ Silvia Schultz wird ihre Brüder in Köln und Dortmund besuchen und nun für ihre bisherigen Hobbies wie wandern, Rad fahren, lesen und Theaterbesuche mehr Zeit finden. „Ich werde die Sternsinger einkleiden“, freut sie sich auf eine weitere kreative Tätigkeit. In der Kirche wird man sie sicher immer mal antreffen und wenn Not am Mann ist, hilft sie gern aus.
Die Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verfolgt sie - auch das Endspiel der Europameisterschaft, selbst wenn es die Deutschen nicht bis dahin schaffen sollten. Eine Erfahrung teilen sich die Sieger auf jeden Fall mit Silvia Schultz: sie haben mit Menschen etwas gemeinsam bewegt. -dag-