Bereits zum fünften Mal luden die Evangelische und die Katholische Kirche zum Haller Musiksommer ein: eine achtteilige Konzertreihe, immer sonntags um 18 Uhr bei freiem Eintritt. Die Lindenstädter dankten es den Organisatoren, indem sie die St. Johanniskirche und die Herz-Jesu-Kirche stets mit ihrer Anwesenheit füllten. Friedemann Engelbert fühlte sich damit in der Auswahl seines Programms bestätigt und Markus Stein ergänzte: „Inzwischen hat sich der Musiksommer herumgesprochen und wir haben keinen Mangel an Angeboten“.
Gestartet wurde mit geistlicher und weltlicher Chormusik aus den letzten 60 Jahren unter dem Titel „Bach-Chor neu“. Damit es keine Irritationen gab, stellte Chorleiter Friedemann Engelbert sofort klar: „Nicht der Chor ist neu – es sind neue Lieder, die wir einstudiert haben.“ Es folgte ein musikalischer Zug durch Europa. Die 40 Sängerinnen und Sänger boten angefangen von einer Motette des Norwegers Knut Nystedt sowie einem Choral des Ungarn Zsolt Gárdonyi über Klassikern der Chorliteratur vom Franzosen Maurice Duruflé bis hin zum stimmungsvollen „Laudate Dominum“ des Briten Christopher Tambling oder ruhigen Abendliedern des Rheinländers Simon Waver und des Amerikaners Morten Lauridsen eine Bandbreite aus sechs Jahrzehnten dar - gewohnt stimmgewaltig. Die Klavierbegleitung übernahm Michael Kuhnen. Bei den Werken, die Friedemann Engelbert mit Orgelmusik unterstützte, sprang Kerstin Kunze als Dirigentin ein. Das Publikum bezeugte durch langanhaltenden Applaus, wie gut ihnen diese Eröffnung des Musiksommers gefiel.
Aus einer anderen Perspektive erlebte das Publikum das nächste Konzert in der Herz-Jesu-Kirche. Organist Holger Gehring spielte von der Empore aus und Panflötist Sebastian Pachel hatte einen Platz in seiner Nähe eingenommen. Die Zuhörer/innen in den voll besetzten Reihen konnten sich ohne Ablenkung auf die Musik hinter ihrem Rücken, die den Raum mit ihrem vollen Klang komplett erfüllte, konzentrieren. Das Programm bestand aus neu arrangierten Werken. „Keines der Stücke wurde für eine Panflöte geschrieben. Wir haben uns Orgelwerke ausgesucht und passend arrangiert“, erklärte der Bielefelder, der für dieses Konzert eine rumänische Panflöte aus Bambus gewählt hatte. Er und sein Duett-Partner, Kreuzorganist Holger Gehring aus Dresden, der damit das traditionsreichste Amt in diesem Bereich innehat, beherrschten ihre Instrumente bis ins Detail und spielten harmonisch auf. Mit Werken von Johann Sebastian Bach wie das „Concerto in D-Dur“, Joseph Gabriel Rheinberger („Cantilene“), dem Choral „Komm, Heiliger Geist“ von Gottfried August Homilius oder sechs rumänischen Volkstänzen von Béla Bartòk traf Traditionelles auf Modernes. Die Beiden entfachten ein musikalisches Feuerwerk, dass in der Zugabe „Die Lerche“ gipfelte. Unweigerlich musste man den Kopf heben, denn der (musikalische) Vogel zwitscherte förmlich durchs Kirchenschiff.
Für das dritte Konzert hatten sich die Verantwortlichen erneut besondere Musiker mit ins Boot geholt: Unter dem Titel „Trance und Rhythm“ zeigten die Ausnahmemusiker Oli Bott am Vibraphone und die Cellistin Anna Carewe, dass diese zwei Instrumente hervorragend harmonieren. Bei ihrem Zug durch die Jahrhunderte von Bach bis in die heutige Zeit mit Ausflügen zu Jazz und Improvisationen merkte man den Beiden nicht nur die Spielfreude an, es klang stellenweise atmosphärisch, was der Vibraphonist seinem Instrument entlockte. Die Intention des Duos bestand darin, verschiedene Komponisten miteinander zu verbinden. „Früher wie heute hat man ähnlich getanzt, gedacht, gefühlt – das versuchen wir miteinander in Einklang zu bringen“, erklärte Bott. So wurde in einem von insgesamt fünf Teilen des Konzerts Musik von Johann Sebastian Bach mit Jazz von Eddie Harris und einer Sonate von Antonio Vivaldi verbunden und in einem anderen Teil Musik von Johannes Ciconia (14. Jahrhundert) mit einem Bossa nova aus dem Jahr 1967 von Antonio Carlos Jobim und einer Tarantella von Lucas Ruiz de Ribayas (17. Jahrhundert). Durch die fließenden Übergänge erschienen die Werke dem Publikum als eine Einheit - das Duo ließ die Grenzen zwischen verschiedenen Genres und Entstehungszeiten verschwinden. Standing Ovation gab es für diese herausragende Leistung und die Musiker dankten mit einer Zugabe: „Air“ von Johann Sebastian Bach. Traumhaft! Man darf gespannt sein auf die weiteren Konzerte… - dag-