„Summertime: von Barock bis Bernstein“ – so lautete der Titel eines der Konzerte in der Reihe „Musiksommer“. Bereits zum 5. Mal hatten sich Friedemann Engelbert von der Evangelischen und Markus Stein von der Katholischen Kirche in Halle/Westfalen zusammengetan, um dieses ökumenische Projekt durchzuführen. An jedem Sonntag in den Sommerferien fand ein Gratis-Konzert in einem der beiden Kirchen statt.
Markus Stein, Organist in Herz-Jesu, gehörte diesem Konzert nicht nur als Organisator an, sondern begleitete das Ensemble „Zeitklang“ am Cembalo und Piano. Zusätzlich glänzte er als Solist an der Orgel. „Zeitklang“ – das sind Margit Stein (Sopran), Erika Heinemann (Alt), Reinhard Witt (Tenor) und Wolfgang Decius (Bass). Seit 15 Jahren sind die Vokalisten für die musikalische Gestaltung der Zeit+Geist-Messen verantwortlich, geben Konzerte in der Region und bestritten nun zum dritten Mal ein Programm des Musiksommers.
Ein „5-Gänge-Menu“ der Musik wurde in der Herz-Jesu-Kirche präsentiert, mit Werken von Couperin, Rameau, Händel und Pachelbel als Vorspeise. Der zweite Gang mit Liedern aus dem Film „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ und besonders dem Lied „Somewhere over the Rainbow“ aus dem Musicalfilm „Der Zauberer von Oz“ bescherten Gänsehautmomente. Beim Hauptgang, dem dritten Teil, ging es laut Markus Stein dann ‚richtig zur Sache‘. Mit vier Songs aus der Rockoper „Jesus Christ Superstar“ habe man den Ton der 70er Jahre aufzeigen wollen – es ging flott und schrill zu. Im nächsten Set kamen die bekannten Lieder „I got Rhythm“, „The Entertainer“ und „Swampy River“ ungewohnt zu Gehör – als Ragtime von der Orgel, interpretiert von Markus Stein. Für den letzten Gang – laut Stein die Krönung des Menüs - hatten sich die Ausführenden für ein Choral-Medley aus dem Musical West Side Story entschieden. Es zeigte sich, dass das Publikum trotz der fünf Gänge noch nicht satt war und um einen Nachschlag mit ihrem langanhaltenden Applaus bat – und auch bekam. „America“ aus dem o. g. Musical gab es als Zugabe und entließ die Zuhörerinnen und Zuhörer zufrieden in den milden Sonntagabend.
Wie vielseitig der Musiksommer sein kann, zeigte sich mit einem anderen Genre: Vitale Barockmusik, die unter dem Titel „Il Barocco Italiano“ vom Westfälischen BarockConsort gemeinsam mit dem Blockflötisten Frank Oberschelp in der St. Johanniskirche präsentiert wurde. Mit der italienischen Kammermusik des 17. und 18. Jahrhunderts zeigten die Ausführenden Spielfreude und Klangsinnlichkeit. „Im Frühbarock wurde die Oper erfunden. Wir spielen keine, aber zeigen mit unserem Programm das Dramatische daraus“, erläuterte Oberschelp, der als Moderator fungierte. Ganz gleich, ob Giovanni Battista Fontanas „Sonata 16“ oder Biagio Marinis „Passacaglio“ - die Ausführenden wussten das Publikum im gut gefüllten Gotteshaus zu überzeugen, der Zwischenapplaus verdeutlichte dies. Barockcellist Armin Lohbeck erhielt für „Ricercar III in D“ von Domenico Gabrielli Bravo-Rufe für seine Leistung. Mit Francescos Barbellas „Sonata III C-Dur“ solle das Publikum eine Ahnung bekommen, was Oper bedeute, so Oberschelp, der mit sieben unterschiedlichen Blockflöten in die Lindenstadt gekommen war – darunter eine mit barocker Griffweise, eine Renaissance-Blockflöte und eine sogenannte Sopranino, mit der man sehr hohe und schrille Töne erzeugen kann. Alle Instrumente beherrschte der studierte Blockflötist mit großem Können. Mit stehenden Ovationen wurden die Musiker belohnt und bedankten sich mit einer Zugabe.
Welch ein gelungenes Ende des Haller Musiksommers: Beim Abschlusskonzert mit den „Flûtes Fatales“ in der Herz-Jesu-Kirche ging es spritzig, kurzweilig und humorvoll zu. Das mit „Sounds, Grooves und mehr auf zehn Querflöten: von Impressionismus bis Jazz und Latin“ überschriebene Programm versprach nicht zu viel. Ein Crossover durch alle Musikstile wurde präsentiert. „Musik von Haydn oder Mozart hören Sie nicht heute Abend“, kündigten abwechselnd die Mitglieder des Flötenquartetts die 12 Werke an, die in der Zeit zwischen 1939 und 1984 komponiert wurden. Dass es kein Konzert wie jedes andere werden würde, zeigte sich schon beim Eintreten der Profimusikerinnen: fröhlich mit den Füßen wippend, drehend – ja fast tanzend kamen Stephanie Wagner, Katrin Heller, Ulrike Lamadé und Chathrin Ambach daher. Die unterschiedlichen Flöten angefangen von der Altflöte über Piccolo bis zur Bassquerflöte beherrschten sie perfekt. Wind, Vogelgezwitscher und Sturm hörte man bei „Jour D’Été à la Montagne“ genau heraus. Zu einem völlig anderen Stil wechselte das Quartett bei „Four Flutes Grooving“. „Wir wollten einmal ganz andere Töne aus den Flöten herausholen“, bereitete Stephanie Wagner das Publikum auf einen ungewöhnlichen Hörgenuss vor. Wie beim Beatboxen übernahm das Instrument die Aufgaben von Schlagzeug und Bass gleichzeitig. Beim nächsten Stück, passenderweise „Peace“ genannt, schien Flötistin Ulrike Lamadé eingeschlafen zu sein. Kein Problem, mit „Wake up!“ und einem Wecker wurde sie von ihren drei Mitspielerinnen wieder in das Hier und Jetzt zurückgeholt. Eine herrliche Einlage! Bei der brasilianischen Samba „O Ovo“, übersetzt „das Ei“, kamen sogenannte Egg-Shaker zum Einsatz, mit denen sich ein rhythmisches Rasselgeräusch erzeugen lässt. Und bei „Bazaar“ hatte man das Gefühl, auf dem Markt in Marrakesch zu sein. Man muss nicht darauf hinweisen, dass dieses wirklich kurzweilige, virtuos vorgetragene und mit humoristischen Einlagen unterlegte, Konzert beim Publikum im voll besetzten Kirchenraum gut ankam. Da der Applaus nicht enden wollte, gab es die erhoffte Zugabe. Ein perfekter Abschluss der Musikreihe.
Markus Stein freute sich über die höheren Besucherzahlen in diesem Jahr. „Wir werden also weitermachen!“ Einer sechsten Auflage in 2025 steht damit nichts im Wege – die Lindenstädter wird es freuen. -dag-