„Bürgergeldempfänger haben keine Lust zu arbeiten“, „Asylbewerber kriegen unsere Zahnarzttermine“ oder „Die Juden sind an ihrem Schicksal selber schuld“ sind extreme Beispiele für rechte Stammtischparolen. Sie leben von Verallgemeinerungen, Vorurteilen, Halbwissen und Lügen und spielen mit den Ängsten der Menschen. Oft weiß man nicht, wie man mit solchen Äußerungen umgehen soll, wird von ihnen überrumpelt und ist überfordert. „Aber ich kann sie beruhigen, das geht auch Experten so“, erklärt Prof. Klaus- Peter Hufer. Der Politologe der Universität Duisburg-Essen hat ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen entwickelt. Auf Einladung des Ev. Kirchenkreises Halle stellte er dies nun in einem Vortrag in der St. Johanniskirche vor. 120 Interessierte folgten der Einladung.
Zum Einstieg brachte der Erwachsenenbildner Beispiele von Situationen. Eine Rollstuhlfahrerin wird angesprochen mit „Dich hat man in Auschwitz vergessen“, in einer S-Bahn unterhalten sich zwei Frauen lautstark eindeutig rassistisch. In der einen Situation reagiert niemand, in der anderen beweist jemand Zivilcourage und mischt sich ein. „Ich mache dieses Seminar nicht als Anleitung zum Selbstmord“, sagt Hufer ironisch mit Blick auf die Gewaltbereitschaft mancher Parolendrescher, „aber weil es etwas für uns selbst zu verteidigen gibt. Denn Schweigen ist immer eine Zustimmung“.
Hufer lieferte danach zunächst eine Definition der Stammtischparole. Stammtischparolen sind Behauptungen, die kein Wenn und Aber zulassen. Sie richten sich mit harten Urteilen gegen Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe, Lebensart, Religion oder sozialer Situation und gegen Parteien, Regierung. Politik und auch gegen „die Demokratie“. Zugrunde liegt ein autoritäres Politikverständnis, es äußert sich der alltägliche Rechtspopulismus.
Nicht immer sind diese Parolen so eindeutig, oft werden sie eingeleitet mit Sätzen wie „Man wird ja noch sagen dürfen“ oder „Ich hab nichts gegen…, aber…“. Und manchmal kommen diese Aussagen von Menschen, die einem Nahe stehen. Wenn zum Beispiel an Weihnachten die Großmutter nach zwei Schnäpsen zur Rassistin wird, setzen viele auf die Taktik des Ignorierens. „Besser ist es, die Person anzunehmen, aber Widerspruch zu zeigen: Oma, ich mag dich, aber ich möchte nicht, dass du so redest“, rät Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer.
„Stammtischparolen, Rassismus und Populismus sind in der Gesellschaft verbreitet und nicht an Geschlechter oder Bildungsschichten gebunden“, sagt Hufer. „Und es scheint so, als hätten wir alle ein kollektives Unterbewusstsein für populistische Parolen“.
Auch auf der politischen Bühne wird diffamiert und pauschalisiert, ob es nun aus Reihen der AfD kommt oder von Donald Trump, der mit dieser Taktik sogar die US-Wahlen gewonnen hat. Doch machtlos steht man solchen Parolen nicht gegenüber. Nach einem kurzen Rollenspiel, in dem Hufer in die Rolle eines Populisten schlüpfte und die Besucher Gegenargumente zu seinem Statement „Bald regiert bei uns der Islam“ finden sollten, gab er zehn Tipps zum Umgang damit. Wichtig sei es nicht in die Komplexitätsfalle zu tappen und eine Argumentationsflut zu vermeiden. Kategorisierungen sollten abgelehnt und Verallgemeinerungen aufgelöst werden. In größeren Gesprächsrunden empfiehlt es sich nach Verbündeten zu suchen. Auch Ironie kann helfen, aber kein Zynismus. „Und Fragen Sie immer weiter – bis zur letzten Konsequenz. Aber lassen Sie sich nicht in endlose Diskussionen verwickeln. Und seien Sie sich dessen bewusst, dass ein Gespräch nie wirklich zu Ende ist, wenn es formal beendet wurde“, gibt Hufer zu bedenken, macht aber Hoffnung. „Seien Sie gelassen: Sie alleine können zwar die Welt nicht ändern, aber Sie sind nicht alleine – viele denken so wie Sie“.
Hier gibt es von Prof. Hufer zusammengestellt Gründe zum Widersprechen und 10 Tipps für den Umgang mit Stammtischparolen zum Download.