Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen: Die soziale Infrastruktur in NRW steht an einem Kipppunkt. Mit der Kampagne „NRW bleib sozial!“ fordert die Freie Wohlfahrtspflege NRW die Politik auf, sich für eine umfassende Verbesserung der Situation der sozialen Träger einzusetzen. Denn der Haushaltsentwurf der NRW-Landesregierung sieht drastische Einsparungen vor, die zahlreiche soziale Dienste und Unterstützungsangebote in NRW empfindlich treffen würden – von Familienhilfen und Kindertagesbetreuung bis hin zu Beratungsstellen und Integrationsprogrammen.
Schon im vergangenen Jahr gab es dazu eine große Kundgebung vor dem Landtag in Düsseldorf. Doch seitdem ist nichts passiert. Deswegen ging es nun erneut zu einer Protestaktion in die Landeshauptstadt.
Der Trägerverbund für Kitas (TfK) des Evangelischen Kirchenkreises Halle hatte sich bewusst gegen eine Teilnahme aller seiner Einrichtungen in Düsseldorf entschieden. „Im vergangenen Jahr sind wir selbst noch mit einer kleinen Delegation dorthin gefahren, dieses Mal haben wir uns bewusst für Protestaktionen bei uns vor Ort entschlossen“, sagt Geschäftsführerin Marlene Ens. „Denn auch hier können wir viel bewirken und das Problem sichtbar machen“.
Mit den Mitarbeitenden der 22 Kitas des Kirchenkreises nach Düsseldorf zu fahren war für den Träger ohnehin keine Option. Denn dann hätten wir unsere Kitas schließen müssen, was viele Familien so kurzfristig vor große Probleme stellen würde. Auch wenn wir in einer Krise stecken – wir sind weiter für die uns anvertrauten Kinder und ihre Eltern da“, sagt Ens.
Deswegen nahmen die Einrichtungen parallel zur Kundgebung eine symbolische Schließung vor. Alle Kitas hatten ihre Eingangsbereiche mit Absperrband ab geflattert um zu verdeutlichen: wenn die Sparpläne der Landesregierung so wie geplant umgesetzt werden, müssen irgendwann Kitas geschlossen werden.
Die steigende Inflation hat nämlich bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass Sachkosten und Personalkosten für die Einrichtungen und Dienste in existenzbedrohender Weise angestiegen sind. Die öffentliche Finanzierung holt diese Kostensteigerung gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nach. Mitarbeitende und Träger sozialer Angebote sind am Limit. Die Probleme sind vielschichtig: unklare Zukunftsperspektiven, unzureichende Refinanzierung, fehlende Standards und akute Personalnot. Die Bedingungen, unter denen soziale Arbeit geleistet wird, sind vielerorts prekär und unterfinanziert. In der Folge müssen viele Träger Angebote einschränken oder ganz einstellen.
„Glücklicherweise sind wir noch nicht an diesem Punkt, aber bei anderen Trägern haben wir schon Schließungen gesehen. Noch können wir das Defizit auffangen, aber auch nur, weil wir den Rückhalt des Kirchenkreises haben aus dessen Rücklagen wir die Lücken des KiBiz ausgleichen können – aber auch das ist keine Dauerlösung“, erklärt Marlene Ens.
Das Kinderbildungsgesetz (KiBiz), das im Jahr 2020 die strukturelle Unterfinanzierung der Kindertageseinrichtungen beseitigen sollte, wurde immer zu spät an die notwendigen und verdienten Tariferhöhungen angepasst, zudem ist die darin enthaltene Verwaltungspauschale von 3 Prozent viel zu niedrig.
Eine Novellierung des Gesetzes ist aber erst für 2026 geplant – bis dahin müssen die Träger selbst die Differenz ausgleichen.