Wer selbst schon einmal in der Gedenkstätte Auschwitz war, kennt das beklemmende Gefühl. Man geht durch einen Tunnel, während die Namen der Ermordeten verlesen werden, und dann öffnet sich das Gelände vor einem mit all dem in den Baracken und Gaskammern konservierten Grauen.
Ist so ein Besuch sinnvoll für junge Menschen? Ja, sagt Hanna Negraszus, wenn er entsprechend vor- und nachbereitet wird, emotional und intellektuell. Die 22-Jährige war einst selbst als Schülerin des Versmolder Gymnasiums in der Gedenkstätte und so nachhaltig beeindruckt, dass sie für ein Freiwilligenjahr dorthin zurückkehrte.
Bei einem Gedenkabend, den die Kirchengemeinde gemeinsam mit der Stadt Versmold nun im Rathaus anbot, erzählte sie von ihren persönlichen Erfahrungen und kam vor allem mit dem Publikum ins Gespräch.
„Wo ist ihnen der Holocaust das erste Mal begegnet?“ lautete eine der Fragen, die im bis auf den letzten Stuhl gefüllten Ratssaal gestellt wurde. „In einem FAZ-Artikel über den Eichmann Prozess“, im Buch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, „im Geschichts-LK“ oder auch „vor meinem Fenster, an dem die KZ-Häftlinge in Zuchthauskleidung vorbeizogen“ lauteten einige der Antworten. Alle Altersgruppen sind schon einmal mit dem Holocaust in Berührung gekommen – über Schulwissen, Medien, persönliche Erlebnisse oder die eigene Familiengeschichte.
So unterschiedlich wie die Berührungspunkte sind auch die Reaktionen auf einen Besuch in Auschwitz. „Manche weinen, andere werden still und nachdenklich, andere sind wütend und fassungslos“, erzählt Hanna Negraszus, die im September 2021 als Freiwille in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz begann. Sechs Monate lang hat sie dort unter anderem Gruppen betreut. „Der tägliche Umgang hat mich tief bewegt und erschöpft“, erzählt die Versmolderin, die inzwischen Geschichte an der Universität Bielefeld studiert.
Wichtig ist ihr die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen: „Der Holocaust begann nicht in Gaskammern, sondern mit Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus.“ Diese sind auch heute wieder spürbar, der Faschismus wird, wie es ein Besucher der Gedenkveranstaltung sagt, „wieder salonfähig“.
Die Verantwortung der Gesellschaft ist es deshalb, diese Entwicklung, diesem Rechtsruck entgegenzutreten. Mit Demos, mit Bildung, mit Dialogbereitschaft – auch wenn es manchmal schwerfällt. Wie wichtig dies ist, zeigt der Wortbeitrag eines Schülers, in seinem Umfeld begrüßen sich Schüler mit Naziparolen, ausländerfeindliche Gesänge werden angestimmt. „Deswegen müssen wir die Erinnerung lebendig halten, auch für die Opfer des Holocaust, indem wir für die Werte eintreten, die sie verloren haben: Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Freiheit“, sagt Hanna Negraszus.
Die Gedenkveranstaltung steht in einer Reihe von Veranstaltungen, die sich an die "Demo für die Demokratie" in Versmold vom 31. Januar 2024 angeschlossen haben. Damals schlossen sich über 30 gesellschaftliche Gruppierungen, Vereine und die Kirchengemeinden Versmolds zusammen. Auch dieser Gedenkabend wurde vom damaligen Organisationsteam verantwortet.