Rieker hatte für die Matinee Bach-Kompositionen von dessen Weimarer Zeit um 1707 bis zur großen Fuge aus der Leipziger Schaffensperiode ausgewählt. Den Auftakt machten „Praeludium und Fuge f-moll BWV 534“ in der tiefsten Tonart mit „vier B’s“. Neben zwei Chorälen aus der Matthäus-Passion und einem Cembalo-Konzert sei es das vierte in f-moll komponierte Werk von Bach, so Rieker. Dunkel und gewaltig entfesselte der Meister mit hörbarer Klasse und fantastischer Pedalarbeit Themen und Tempi.
Im Gegensatz dazu die majestätischen und energiegeladenen „Praeludium und Fuge e-moll BWV 548“ als rasant-furioses Konzertende. Nach Hermann Keller strahlte dieses hochkarätige Bachwerk unerreicht als Stern am Musikhimmel bis in die Zeiten Beethovens.
Dazwischen entführte Rieker mit der Leichtigkeit der „Canzona d-moll BWV 588“ in die großartige Welt Bach’scher Transkriptionen verschiedener italienischer Kompositionen. Das schon bald in Halle zu hörende „Magnificat“ von Antonio Caldara ist für die Nachwelt allein durch die Bach‘sche Übertragung erhalten.
Der Höhe- und Mittelpunkt der Konzertreise ereignete sich mit der „Partite diverse sopra – Sei gegrüßt Jesu gütig BWV 768“, einem Choral mit XI Variationen. Beim Spielen dieser großen Partita über das Lied – einer schweren Kost – stelle er sich immer Johann Sebastian Bach an seiner Leipziger Thomanerorgel vor, stimmte Rieker auf die figurenreiche Musikliteratur ein. Die Partita entpuppte sich als eine herrliche Möglichkeit die vielen Farben der Heintz-Orgel zu präsentieren. Gelungene Variationsbreite bei Tempi und Registraturen machten die Rieker’sche Interpretation zu einem Hochgenuss.
Quasi als Besinnung für Ohr und Geist führte die Choralbearbeitung „Erbarm dich mein, o Herre Gott BWV 721“ in melancholischer, fast flehender Ruhe und Eindringlichkeit zum schon beschriebenen krönenden Schlussakkord. Die noch vorhandenen Einladungen zur Orgeleinweihung von vor 20 Jahren zeigten nicht nur die vielen Facetten der Schönen, sondern erinnerten alle Besucher auch daran, dass Martin Rieker der Orgelbauer dieses Meisterwerk selbst entworfen hat. Für all das Gute zum Geburtstag „seiner“ Orgel bedankten sich die Zuhörerinnen und Zuhörer frenetisch. (C.G.)