HALLE – Es sind Frauen aus allen Generationen, die sich regelmäßig im Haus des Kirchenkreises Halle beim „FrauenTischGespräch“ zu Lebens- und Glaubensthemen austauschen. Pfarrerin Kirsten Potz von der Arbeitsstelle MÖWe (Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung) informierte über das globale Thema „Faire Kleidung“. Schnell wurde klar, wie emotional und gleichzeitig vielschichtig es wird, wenn Frauen sich wirklich auf dieses Thema einlassen.
Jeden Morgen vor dem Kleiderschrank und auch beim Blick in das reale oder virtuelle Schaufenster stellt sich augenblicklich die Frage: „Was ziehe ich an und welche Botschaft sende ich mit meinem Outfit in die Welt? Wagt frau allerdings den globalen Blick und fragt nach ökumenischer Weltverantwortung wird das Thema Kleidung augenblicklich schwierig.
60 Millionen Menschen arbeiten weltweit in der Textil- und Bekleidungswirtschaft. Pro Jahr werden etwa 80 Milliarden Kleidungsstücke produziert und dabei sind 20 000 teils sehr giftige Chemikalien im Spiel. So sind nicht nur die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, sondern auch die zerstörerischen Auswirkungen auf Umwelt und Natur in den Blick zu nehmen.
Die Textilarbeiterinnen in den armen Ländern der Erde erhalten Löhne unterhalb des Existenzminimums. 12-Stundenschichten an sechs Tagen der Woche und Kündigung bei Schwangerschaft sind nur zwei unerträgliche Aspekte der vorherrschenden Arbeitsbedingungen. Unglaubliche 0,6 Prozent vom Ladenpreis etwa eines T-Shirts erhält eine Näherin in Bangladesch oder Kambodscha als Lohn, 71 Prozent landen bei Herstellern und Verkäufern von Markenartikeln.
Angesichts solcher Szenarien fragten die Frauen sich, ob eine einzelne Käuferin denn überhaupt etwas ausrichten könne. Kirsten Potz erarbeitete mit ihren Zuhörerinnen wichtige individuelle Strategien und informierte gleichzeitig über konkrete Kampagnen für nachhaltige und faire Textilien. So hat die Evangelische Kirche von Westfalen (EkvW) zusammen mit der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) im Jahr 2017 den MÖWe-Pfarrer Dietrich Weinbrenner zum Beauftragten für Nachhaltige Textilien berufen. Seine Vorort-Recherchen, etwa bei der Schuhfirma der Marke ARA in Indonesien, haben zu spürbaren Verbesserungen für die Arbeiterinnen geführt.
Im Bündnis für Nachhaltige Textilien, initiiert von Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, ist die EKvW als Mitglied neben großen und kleineren Textil-Unternehmen engagiert für soziale und ökologische Verbesserungen in der Wertschöpfungskette von Textilien und Kleidung. Allerdings, das Ziel, 75 Prozent des deutschen Textilmarktes bis 2018 fairer zu gestalten ist verfehlt. Die Mitgliederzahl von 200 im Jahr 2016 ist auf aktuell 130 gesunken. Einige Mitglieder sind abgesprungen oder wurden wegen nicht nachgekommener Berichtspflichten ausgeschlossen. Aktuell sind etwa noch 50 Prozent des Marktes im Bündnis vereint.
Nach einer lukullischen Verschnaufpause entwickelten die Frauen im Gespräch mit Kirsten Potz persönliche Strategien für einen fairen Umgang mit der eigenen Kleidung. „Faire Kleidung fordern und kaufen verändert die Modebranche“, versicherte Kirsten Potz und zeigte anhand verlässlicher Siegel Orientierungsmöglichkeiten auf. Weitere gute Ideen der Frauen waren: „Weniger, länger tragen, tauschen, leihen“ oder ganz revolutionär: Wie beim Kofferpacken nur 40 Teile im eigenen Kleiderschrank akzeptieren. (CG)