Als besinnlichen Einstieg in den heutigen Tag hielten einige der deutschen Jugendlichen eine zweisprachige Andacht zum Thema „Vorurteile und Ausgrenzung“, die angelehnt war an die Predigt aus dem Reisesegnungsgottesdienst vom 07. Juli in Steinhagen. Die Botschaft dieser Anfacht lautete, offen zu sein, aufeinander zuzugehen und voneinander zu lernen, statt Vorurteile zu schüren und zu festigen, die zu Angst, Ablehnung oder gar Hass führen können. Diese Botschaft findet sich auch in dem Refrain des Liedes „Wir wollen aufstehen, aufeinander zugehen, voneinander lernen“ wieder, das wir zum Abschluss gemeinsam gesungen haben.
Nach der Andacht folgte ein kurzes Aufwärmspiel, das auch dazu diente, sich noch etwas besser kennenzulernen und die vielen neuen Namen zu lernen. Anschließend ging es auch schon ans thematische Arbeiten. In einem Workshop zum Thema „Unsere Identität als evangelische Christen“ tauschten wir uns zunächst in Kleingruppen darüber aus, was es für uns persönlich bedeutet, evangelisch zu sein. Im Plenum erwartete uns dann die große Herausforderung, alle verschiedenen Vorstellungen und Assoziationen, die wir in den Gruppen gesammelt hatten, auf einen Nenner zu bringen und eine Art Definition zu formulieren: „Evangelisch sein bedeutet, Teil einer offenen Glaubensgemeinschaft zu sein, die auf einer historisch-kritischen Auslegung von Gottes Wort basiert, und in sozialer Verantwortung zu handeln, motiviert durch unseren Glauben an die uneingeschränkte Gnade Gottes.“
Bis wir diesen komplexen Satz, mit dem alle einverstanden waren und in dem sich alle wiederfinden konnten, gefunden hatten, dauerte es etwas. Allerdings bedarf der Satz noch einiger ergänzender, erklärender Worte. Unter dem Begriff „offene Glaubensgemeinschaft“ verstehen wir vor allem eine Gemeinschaft, die jede und jeden einlädt, den Glauben an Gott in der Gemeinschaft zu leben, und die gleichzeitig alle individuellen Unterschiede akzeptiert und wertschätzt, und es ermöglicht, die unterschiedlichen Charaktere sich entfalten zu lassen.
Eine historisch-kritische Auslegung bedeutet für uns, Gottes Wort vor dem historischen Hintergrund zu lesen und zu deuten und auf unser heutiges Leben zu übertragen.
In sozialer Verantwortung handeln, heißt für uns, Nächstenliebe zu zeigen ohne Erwartung einer Gegenleistung. Dies entspricht auch Martin Luthers Überzeugung, nicht in Vorleistung treten zu müssen, um Gottes Vergebung zu empfangen.
Nach dem Mittagessen ging es weiter mit dem zweiten thematischen Block, in dem wir erneut in Kleingruppen über den Zusammenhang zwischen der eigenen (vor allem der protestantischen) Identität und der virtuellen Identität, die sich in den digitalen sozialen Netzwerken zeigt, zu reflektieren. Aufgreifen werden wir diese Fragen im morgigen, abschließenden Workshop.
Wie jeden Freitag im Hogar San Juan fand um 19 Uhr eine Abendandacht statt, an der auch die deutschen und argentinischen Jugendlichen gemeinsam mit den Bewohner*innen der Altenheimsiedlung teilnahmen. Direkt im Anschluss daran wartete das Abendessen auf uns, auf das sich wahrscheinlich schon alle am meisten freuten: ein echtes argentinisches asado-Essen, das den Gedanken der Gemeinschaft und des Teilens sehr schön verkörpert. Ein schöner Ausklang für diesen durchaus produktiven Tag.
Nach dem Abendessen nutzte ein Teil der beiden Jugendgruppen die Gelegenheit, vor dem gemütlichen Kaminfeuer gemeinsam zu reden und zu singen: „Aufstehen, aufeinander zugehen“, „Let it be“, „Über den Wolken“, „Bella ciao“ oder „El Sensei“ … das Repertoire des Gitarrenspieler Nicolas war unermesslich.
Julia Steinweg/Matthias Jörke