Der heutige Tag begann mit einem Frühstück um 9:15, das wir zusammen mit den Argentiniern einnahmen. Um 10:30 Uhr ging es mit dem Bus weiter nach Ameglina, das in der Nähe von Panambi ist, um dort die Arbeit der Genossenschaftsorganisation MAFAU (Mutual Agricultores Familiares del Alto Uruguay) kennenzulernen. Begleitet haben uns wir Paula Fogel und Francisco, ein Mitglied der Gemeinde in Posadas, der gleichzeitig Bevollmächtigter der MAFAU ist und die behördlichen Angelegenheiten regelt. Nach mehreren kurzen Zwischenstopps, wo wir u.a. die Argentinier an einer Bushaltestelle herausgelassen haben oder Probleme mit dem Motor behoben wurden, kamen wir um 12:50 Uhr an und wurden mit einem leckeren Mittagessen bestehend aus Kartoffelsalat, Mandioka und Reis mit Fleisch empfangen. Gastgeberin Wirlene Schmechle hat sich sehr viel Mühe gegeben und aufgrund des starken Regens uns ihr Haus zur Verfügung gestellt.
Das ursprüngliche Programm danach konnte aufgrund des starken Regens und Gewitters, das seit etwa 5 Uhr nachts den ganzen Tag andauerte, nicht vollständig umgesetzt werden.
Das Thema des heutigen Tages – und das Thema der Organisation MAFAU – ist der geplante Bau eines weiteren Staudammes im Rio Uruguay. Der Bau des Staudammes hätte zur Folge, dass die Grundstücke der in der Nähe lebenden Bevölkerung bis zu einer Höhe von 92 Meter über dem Meeresspiegel geflutet würden und die Bevölkerung entsprechend obdachlos gemacht würde. Der Staat würde natürlich für eine Umsiedlung sorgen, die aber bei weitem nicht den Besitztümern der jetzigen Bewohner*innen gleichkommen würde und nur dann „gut“ entschädigt würde, wenn man den Besitz des Landes entsprechend nachweisen kann. Ansonsten würden die Bewohner ohne Rücksicht auf Verluste einfach von ihrem Land, das sie seit Generationen bewirtschaften, entfernt werden.
Mehr als 100 Familien haben sich zu der Genossenschaft MAFAU zusammengeschlossen, um unter anderem ihre Besitzansprüche geltend zu machen, vor allem aber um als geschlossene Front auch politisch gegen den Bau eines weiteren Staudammes vorzugehen. Auch wenn der Damm zur Energieproduktion genutzt werden soll – welche allerdings nur der Industrie, nicht aber der Bevölkerung zu Gute kommen soll – sorgt er auch für vielerlei ökologische Probleme: Überflutung, Mücken, Krankheiten. Man sollte meinen, dass die Geschichte bzgl. Staudammprojekte und ihrer Auswirkungen die Menschheit eines Besseren belehrt hätte…
Um die Besitzansprüche geltend zu machen, sorgt die MAFAU zunächst einmal dafür, von allen betroffenen Grundstücken Karten über den genauen Grenzverlauf und die Grundstücksgröße anzufertigen. Hierfür arbeiten sie seit Jahren mit der Universität in Posadas zusammen. Die hiesigen Studenten können diese Problematik u.a. auch für ihre Praxiserfahrung nutzen. Außerdem sorgt die MAFAU auch dafür, gemeinsam mit den Betroffenen alle möglichen Dokumente (Pässe, Taufurkunden, Hochzeitsurkunden usw.) aufzutreiben, um darzulegen, wie lang die Familien schon auf diesem Land leben.
Für 74 Familien hat der Prozess bereits begonnen. Wie lange er dauert, könne aber niemand exakt sagen, da von offizieller Seite aus auch gerne auf formelle Fehler hingewiesen wird, was den ganzen Prozess um Monate verzögert.
Die MAFAU sorgt gemeinsam mit der IERP vor Ort für verschiedene Projekte der nachhaltigen Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen und um gesunde Ernährung.
Zurzeit nimmt eine Bewohnerin der Region auch an einem großen Filmprojekt teil, in dem es u.a. auch um diese Thematik gehen wird. Ein gute Werbung für die Arbeit der MAFAU, die sich aktuell sehr wünscht, für das Thema zu sensibilisieren, auf die Ängste und Nöte der Betroffenen hinzuweisen ,und möglichst viel Öffentlichkeit erreichen möchte, um auch politisches Gehör zu erlangen.
Nach dem Mittagessen, als der Regen etwas nachgelassen hat, haben wir einen kleinen Spaziergang über die Felder gemacht. Da wir uns auf knapp 500 Metern Höhe befanden, hatten wir eine gute Sicht ins Tal bis zum Rio Uruguay. Unvorstellbar, dass das Land knapp 400 Meter unter uns nach Bau des Staudammes nicht mehr zu sehen und unter einem riesigen Stausee begraben sein würde.
Auf unserem Spaziergang haben wir u.a. Mandarinen und Mandarinen-Zitronen geerntet. Letztere sind zum Essen allerdings nicht sehr gut geeignet, da sie – wie Zitronen es nun mal sind – sehr sauer sind.
Zum Abschied von Wirlene Schmechle und der MAFAU, dessen gesamter Vorstand bei unserem Treffen anwesend war, haben wir als kleines Zeichen unserer Unterstützung eine Spende dagelassen und uns für den herzlichen Empfang und die unglaublich wichtigen Informationen bedankt.
Auf der Rückreise nach Candelaria haben wir noch an einem Mirador, einem Aussichtspunkt, angehalten, von dem aus wir einen schönen Blick über die ganze Landschaft hatten, bis zum Rio Uruguay und dem dahinterliegenden Brasilien. Hier haben wir die Chance genutzt, um noch ein paar Fotos zu machen.
Die gut 2,5 stündige Rückfahrt verlief ruhig und nachdenklich… oder war es eher die Müdigkeit, von denen alle betroffen waren?
Nach einem gemeinsamen Abendessen, das uns Andrea Kalmbach aus den Resten des Vorabends zubereitet hat, haben wir gemütlich zusammengesessen und teilweise schon unsere Koffer gepackt. Morgen früh geht es nach dem Frühstück mit dem Omnibus nach Posadas, wo wir den Tag noch ein letztes Mal mit Paula Fogel und einigen Jugendlichen von JUME verbringen werden, bevor es am Abend in den Nachtbus nach Buenos Aires geht.
Tabea Ahnen/Matthias Jörke