Der letzte richtige Tag unserer Argentinienreise beginnt um 9 Uhr mit einem kleinen Frühstück im Hotel: ein kleines, süßes Croissant, ein Toastbrot, ein Glas Orangensaft und eine Tasse Tee oder Kaffee. Um 9:10 Uhr holen uns Juliana und Felix vor dem Hotel ab. Felix fährt uns mit einem Kleinbus durch Buenos Aires, während Juliana uns in sehr gutem Deutsch die interessantesten und wichtigsten Orte präsentiert und erklärt.
Wir starten an unserem Hotel, das an der Avenida de Mayo liegt. Der Mai ist für die Argentinier ein sehr wichtiger Monat, denn am 25. Mai 1810 begannen die Revolution und damit der Loslösung von Spanien, die mit der Unabhängigkeit am 09. Juli 1816 endete.
Die Avenida de Mayo verbindet zwei wichtige politische Orte: das Parlamentsgebäude und den Regierungspalast am Plaza de Mayo. Hier trifft man sich vorrangig bei politischen Ereignissen, z.B. Wahlen, um diese zu feiern. Aber auch zum Protestieren wird dieser Platz seit jeher gern genutzt, woran ein Denkmal erinnert: die Madres und Abuelas vom Plaza Mayo, also die Mütter und Großmütter. Diese sind hier, als unter der strengen Diktatur etliche Kinder verschwunden sind und Demonstrationen verboten waren, schweigend gegen die Diktatur marschiert.
Um den Platz herum befinden sich weitere historische Gebäude, so zum Beispiel das ehemalige Rathaus aus der Kolonialzeit, das heute ein Museum ist. Optisch eher an einen römischen oder griechischen Tempel erinnernd, sieht man hier auch eine kleine Kathedrale, vor deren Eingang die ewige Flamme für San Martín, den „Befreier“ Argentiniens, brennt.
Vom Plaza de Mayo fahren wir weiter über die Avenida 9 de Julio, die den Süden der Stadt mit dem Norden verbindet. Wir machen uns auf in Richtung der Stadtteile Palermo und Recoleta. Unterwegs erfahren wir von Juliana, dass die Provinz Buenos Aires ungefähr so groß ist wie ganz Deutschland. Das Stadtgebiet selbst hat etwa drei Millionen Einwohner*innen, im Umland leben nochmal zwölf Millionen Einwohner*innen.
Die offizielle Religion in Argentinien ist katholisch, aber es herrscht Religionsfreiheit. Etwa 70 Prozent der Bevölkerung sind katholisch, aber nur etwa die Hälfte praktiziert es.
Die Stadt wurde 1580 gegründet von einem spanischen Eroberer geründet. Ihre Architektur ist heute sehr gemischt, vorwiegend wurde aber im Jugendstil gebaut.
Der Stadtteil Recoleta liegt im Norden der Stadt und ist eine sehr teure Wohngegend, hier lebt die Oberschicht. Hier befindet sich auch die UBA, die Universität von Buenos Aires, die zu den besten 100 Universitäten der Welt gehört. Direkt daneben befindet sich die Skulptur „La Flor“.
Weiter geht es zum Stadtteil Palermo. Dieser ist sehr zentral gelegen und als Wohngegend sehr beliebt, aber sehr teuer. Hier gibt es sehr viel Grünanlagen, u.a. den japanischen Garten, angrenzend an das Planetarium und den Rosengarten mit der weißen Brücke, auf der sich Brautpaare gerne fotografieren lassen. Auf den angelegten Seen tummeln sich vor allem an Wochenenden viele Menschen, die mit Tretbooten herumfahren. Der Eintritt in diesen schönen Park ist frei.
Kurz nachdem wir das MALBA, das Museum für Lateinamerikanische Kunst, passieren, halten wir an. Juliana fragt uns nach dem heutigen Datum: 26. Juli 2019. Heute vor 67 Jahren ist Evita Perón mit 33 Jahren an Krebs gestorben. An der Stelle, an der früher der Perón-Palast stand, wurde lange nach seiner Zerstörung ein Monument für Evita errichtet. Evita hat die Feministische Partei gegründet. 1947 konnten Frauen in Argentinien daher zum ersten Mal wählen. Sie hat vor allem für die niedrigen Schichten viel Sozialhilfe betrieben und war deshalb beim Volk sehr beliebt. Deshalb allerdings auch gehasst von den oberen Schichten.
Nun geht es weiter in Richtung Süden, in die Stadtteile La Boca und Santelmo. Unterwegs erzählt uns Juliana etwas über den Nationaltanz Tango. Am Anfang war der Tango eher ein Skandal, weil er in sehr engem Körperkontakt zwischen Mann und Frau getanzt wird, was damals als unsittlich galt. Als der Tango aber Europa erobert hatte und in Argentinien bekannter wurde, dass dieser Tanz gerade in der europäischen Oberschicht sehr beliebt war, wurde der Tango auch in Argentinien akzeptiert und immer populärer. Der Tango ist aber kein typischer Tanz für ganz Argentinien. Juliane erklärt, dass jede Provinz in Argentinien ihren eigenen Tanz hat. In Misiones haben wir beispielsweise den Chakarena kennengelernt. Hier in Buenos Aires ist es der Tango, der im Stadtteil La Boca geboren wurde.
Santelmo, die Altstadt, ist noch wie in der Kolonialzeit mit Kopfsteinpflaster ausgestattet. Hier befinden sich in den kleinen, urigen Gassen viele Antiquitätenläden. Wir fahren weiter zum Caminito, einem kleinen Areal mit kleinen Lädchen und kleinen alten, bunten Häuschen mit wunderschönen, verwinkelten Innenhöfen.
Zum Abschluss der Stadtführung fahren wir durch das teuerste und modernste Stadtviertel: Puerto Madero. Hier finden sich die einzigen „modernen“ Hochhäuser, die vorwiegend für Wohnungen genutzt werden. Hier wohnt u.a. der Fußballstar Lionel Messi. Auf einer Seite dieses Viertels haben die Straßen ausschließlich Namen von berühmten argentinischen Frauen. Dieser Teil wird auch durch die „Puente de mujeres“, Frauenbrücke, mit dem Ufer des Hafengebietes verbunden.
Zum Mittagessen treffen wir uns wieder mit Jorge und Pamela, die uns in ein Almacer führen, wo wir gute argentinische Küche genießen. Almaceres waren früher kleine Supermärkte, ähnlich wie Tante Emma-Läden. Heute sind viele dieser Almaceres restauriert und werden als Restaurant oder Bar betrieben.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen erkunden wir die Stadt zu Fuß weiter. Daher nutzen viele den Nachmittag für eine Shopping Tour, u.a. im Casa de Dulce de Lece oder in den kleinen Souvenirläden, die es an jeder Ecke gibt. Gegen 20 Uhr kommen wir müde und erschöpft im Hotel an und lassen den letzten Abend gemeinsam bei allerlei Süßigkeiten und Getränken ausklingen.
Morgen geht es leider wieder in Richtung Heimat. Zwei wunderschöne, ereignisreiche und auch lehrreiche Wochen sind viel zu schnell vergangen. Aber durch die neuen Freundschaften, die wir geschlossen haben und so die Partnerschaft neu gestärkt wurde, sind wir sicher: Argentinien wird uns wiedersehen!
Matthias Jörke