WERTHER – „Kirche ist immer Kirche in der Zeit.“ Diese Wahrheit hat Holger Hanke schon früh in seinem Leben erfahren: Etwa in seinem vierwöchigen Gemeindepraktikum 1985 in Jena. Durch die Partnerschaft zwischen der Thüringischen und Württembergischen Landeskirche erlebte der junge Theologiestudent vor Ort, dass Christen in der DDR „viel mitgemacht haben“. Das Bekenntnis zum Glauben bedeutete in einer sozialistischen Gesellschaft Ausgrenzung, behinderte Bildungskarrieren und vieles mehr. „Die atheistische Erziehung war sehr erfolgreich in der DDR.“. Der junge Mann hat dadurch schon sehr früh erlebt, dass besonders schwierige Lebenszeiten eine besondere Prägekraft haben können und Biografien sehr bedingen.
Als Wesfale aufgewachsen in Bünde, genauer in Kirchlengern, entwickelte sich der Berufswunsch Pfarrer schon sehr früh: „Pastor zu werden, war so etwas wie mein Traumberu.“ Schon der 16-Jährige bereitete Bibelarbeiten vor: „Da habe ich Feuer gefangen und ein großes Zutrauen in biblische Texte entwickelt.“ So war das Theologiestudium eine verlockende Perspektive trotz solcher Hürden wie Sprachprüfungen.
1993 war ein sehr entscheidendes und glückvolles Jahr im Leben von Holger Hanke: „Ich bestand mein zweites theologisches Examen und habe meine Frau geheiratet.“ Seit 1990 ist die Verbindung zu Werther (Westf.) bestimmend: Holger Hanke trat sein Vikariat mit der Begleitung seines Mentors Pastor Werner Lohmann an. Danach machte er sich in der so genannten „Hilfspredigerzeit“ ein zweites Mal auf nach Ostdeutschland, dieses Mal mit seiner Frau Karin. Das Theologenpaar tat in diesen Nachwendejahren für 15 Monate gemeinsam Dienst in Werther (Thüringen). Hanke sagt heute: „Das war eine besonders dichte Zeit und sie strahlt mit ihren Erfahrungen bis heute aus.“
An die Themen der ersten Jahre in der 2. Pfarrstelle in Werther erinnert sich der heute 57jährige Theologe noch gut: „Es ging um das tiefere Kennenlernen von Gemeinde und Pfarrberuf in seinen verschiedenen Facetten. Bei der Entwicklung eines Konfirmandenunterricht-Konzeptes habe ich gelernt, dass sich Ansprüche in der Realität nicht immer umsetzen lassen.“ Über die Jahre haben sich die Schwerpunkte in Hankes Arbeit verändert: Die Jahre der Kinder- und Jugendarbeit wurden abgelöst durch diakonische Aufgaben. „Die Dreier-Konstellation im Pfarrteam von Werther findet Hanke angenehm: „Sie ermöglicht solches Wechselspiel. Drei verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten ist „gut so“ und der Pastor schätzt sehr, dass die Kenntnis der eigenen und anderen Stärken und Schwächen die Balance hält.
Eine tiefe Zäsur durchlebte Holger Hanke 2006, dem 12. Jahr seiner Pfarrtätigkeit in Werther. Er erkrankte lebensbedrohlich und konnte erst 2008 – nach eineinhalb Jahren – langsam wieder in den Beruf zurückkehren. „Die Krankheit hat mich nicht komplett verändert“, sagt Hanke, aber: „Ich nehme mich selbst etwas leichter und spüre eine große Dankbarkeit.“ Und noch etwas erinnert der Pfarrer sehr gut aus dieser schweren Zeit: „Gott sei Dank stellt sich auch in der Krankheit so etwas wie Alltag ein, anders könnten wir gar nicht leben.“ Erfahren hat Holger Hanke in dieser Zeit, dass der Glaube kein Hobby ist. Im Gegenteil, sagt der Christ heute: „Glaube ist Lebenshilfe und setzt sich mit den Fragen auseinander, die das Leben wirklich stellt.“
Der leidenschaftliche Prediger weiß auch, dass die biblischen Texte alle großen und kleinen Lebensthemen enthalten und der Wirklichkeit standhalten. Deshalb habe er auch nach seiner Genesung sein Pfarrersein nicht wesentlich anders gelebt. Eine seiner theologischen Leidenschaften ist es, Predigten großer Vorbilder zu lesen. Deshalb ist das Gottesdienst halten auch eine seiner liebsten Aufgaben. Gerade die intensive Zeit der ersten Jahre bei „Jacobi-live“ ist ihm gut in Erinnerung: Tolle Mitarbeitende, grundsätzlich nach Themen fragen und Anspiele schreiben. Außer während der Krankheit habe auch der ständige Wechsel nachwachsender Generationen von jungen Menschen gut geklappt, schaut Hanke dankbar zurück.
Was Holger Hanke heute schmerzt, sind die Kirchenaustritte in großer Zahl. „Jeder Einzelne, der geht, tut weh“, da ist es für Hanke kein Trost, dass die Zahlen in Werther nicht so hoch sind, wie in Großstädten. „Kirche ist kein Selbstzweck, aber die christliche Botschaft hat offensichtlich ihre Bindekraft und Relevanz verloren, das tut mir sehr leid.“
In die Zukunft gesehen, freut sich der Theologe auf knapp zehn weitere Berufsjahre. Sein Wunsch dafür: „Ich möchte selbst innerlich lebendig bleiben und Erfahrungen machen, mich ansprechen lassen.“ Er hat nicht das Gefühl, schon leer gepredigt zu sein. Im Gegenteil: „Ich entdecke mehr und mehr das große Mosaik. Natürlich gebe es auch Tiefen, aber insgesamt sieht er seine Zukunft in Werther. „So Gott will und wir leben, bleibe ich hier.“
Zum 25. Ortsjubiläum als Pfarrer wünschte Hanke sich einen festlichen Gottesdienst ohne Selbstinszenierung. Er ist sich sicher: Wenn Theologen streng bei der Sache bleiben, dann ist auch für sie selbst gesorgt. „Es wird regiert“, so sagte der Theologe Karl Barth, was der Jubilar mit „wir müssen nicht selbst das Regiment führen“ übersetzt. Hanke rät zu Gelassenheit im Glauben. „Ich bin nicht der Herkules der Kirche. Der die Kirche trägt, ist der Gekreuzigte.“ (CG)