BROCKHAGEN – Es war ein freundliches musikalisches Klima, das sich über dem Gottesdienstgeschehen in der St. Georgskirche aufspannte. Ganz so, wie der neue Kantor Thomas Albrecht es mit Martin Luthers Worten in seiner Vorstellung im neuen Gemeindebrief gesagt hatte: Musik schafft Ruhe und ein freundliches Gemüt. Gebrochen wurde diese Stimmung durch ein mulmiges Gefühl, wie es sich denn nun zu verhalten gelte mit dem alles bestimmenden „Corona-Virus“.
Pfarrer Dr. André Heinrich ging in seiner Predigt über den Text 1. Mose, 3,1 – 24, von der Vertreibung aus dem Paradies, gleich auf drei sehr bestimmende aktuelle Themen ein: Neben dem Virus aus China beleuchtete Heinrich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Recht auf Selbsttötung und die rassistisch motivierten Greueltaten seit den Morden des sogenannten NSU. Eine beängstigende, schwere Kost, die Heinrich in zwei Fragen – „Was tut Gott für uns in dieser Zeit, heute, in dieser Situation?“ und „Was soll unser Dienst sein an den Menschen dieser, unserer Zeit mit ihren Ängsten?“ formulierte.
Bei der Suche nach einer Antwort fragte Dr. Heinrich „Wie der Mensch ist?“ und fand die Antwort im Predigttext: Der Mensch will sein wie Gott. Dabei wolle er sein Leben vollkom-men eigenständig in den Griff bekommen, so der Pastor. Der Mensch wolle alle Macht selbst in den Händen halten. Dieser Wunsch entstehe aus dem „Gerede seiner Freunde, seiner Ge-fährtin“. Gottes Antwort sei zugleich hart und barmherzig. Er grenze die Macht des Menschen ein, indem er mit dem Tod eine unmissverständliche Grenze setze.
Zusätzlich begrenze Gott sich selbst. Die Auflehnung des Menschen ziehet nicht seine Zerstö-rung nach sich. „Gott beschützt den Menschen – vor Gott“, so Heinrich. Diese Liebe Gottes erreiche in Jesus Christus seinen Gipfel. In der Grenze des Todes schütze Gott uns vor uns selbst und lehre uns Demut. Der Virus zeige uns, dass wir keine letzte Macht über Leben und Tod haben, so Heinrich.
Zum Thema Selbsttötung zitierte Heinrich den Theologen und Ethiker Peter Dabrock, der sagt, dass es nicht stimme, dass es heute nur zwei Wege am Lebensende gebe: Der Tod mit Qualen oder friedliches Sterben mit Gift. Palliativmedizin und Hospizarbeit wirkten segensreich und nur in seltenen Fällen wäre es nötig und die Möglichkeit da, mit stärkeren Medikamenten aus dem Leben zu gehen, so Heinrich. Mit Dabrock warnte Heinrich aber, dass eine Gesellschaft mit einer immer teureren Medizin einem Armen in der Zukunft die Selbsttötung nahelegen könne.
Schließlich fragte Dr. Heinrich nach einem christlichen Umgang mit der Todesangst, die durch Anschläge wie in Hanau oder Volkmarsen wieder umgehe. Wie begegnen Christ*innen der Macht der Worte, die im Netz und anderswo Hetze und Hass verbreiten und tatkräftige Machtfantasien beflügeln? Direkt an Kantor Thomas Albrecht gewandt, bekräftigte der Pastor, dass Musik Ruhe und ein freundliches Gemüt schaffe. Das gemeinsame Musizieren, verbunden mit dem Gebet und der Hingabe an Jesus Christus sei eine der besten Antworten der Christen: Gegen Hetze, gegen Vereinsamung, gegen den eigenen Zorn. „Orte zu schaffen, wo all das gelingt, das ist die Aufgabe von uns allen“, so Heinrich. In diesem Geist berief Dr. Andre Heinrich den neuen Kantor in sein Amt.
Trotz Hygieneregeln gelang allen, die Freude über den neuen Kantor deutlich zu zeigen, auch ohne Umarmungen und Händedruck. Der Lehrer für Musik und evangelische Religionslehre ist im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen und seit 2012 an der Gesamtschule in Harsewinkel angestellt. An den Menschen in Brockhagen und Umgebung schätzt Thomas Albrecht die „Direktheit, Herzlichkeit und Wärme“. Wie die ostwestfälischen Menschen eben sind! (CG)