WERTHER – Die Corona-Pandemie hat das persönliche und berufliche Leben, aber auch das Gemeindeleben gründlich durcheinander gewirbelt. Manches musste abgesagt werden, so auch der Pilgertag der Kirchengemeinde Werther und des Hauses Tiefenstraße, der für Mai geplant war. Sehr wahrscheinlich werden sich längst nicht alle Urlaubspläne für 2020 in die Tat umsetzen lassen. Kontakteinschränkungen sind immer wieder denkbar – und haben sich inzwischen ja auch im Kreis Gütersloh ereignet.
Claudia Seidel, Leiterin des Hauses Tiefenstraße in Werther, gibt einen Impuls, trotz aller Einschränkungen dennoch gute und erfüllte Zeiten zu verleben und in diesen Schönes zu erleben:
„Deshalb mein Vorschlag, sich möglichst einmal an einem Tag für einige Stunden zurückzuziehen und auf einem ganz persönlichen entschleunigten Pilgerweg unterwegs zu sein mit dem Schwerpunkt „Leben mit allen Sinnen.“
Begleiten soll uns an diesem Tag der Bibelvers „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist“. (Psalm 34,9) Dieser Vers, auf einem Zettel oder Kärtchen geschrieben, kann während der Wanderung immer mal wieder hervorgeholt werden. Und vielleicht wandert unterwegs auch das eine andere Fundstück in den Rucksack.
Der Weg kann durch Wald und Feld führen. Denkbar ist auch ein kleiner Streifzug durch einen Park oder den Garten. Und gut wäre es, wenn es dort eine ruhige Bank oder Sitzecke gäbe, es genügt auch ein umgestürzter Baum oder ein Holzstapel. So könnte der Weg gegangen werden: Unterwegs suche ich mir hin und wieder einen ruhigen Ort. Dort verweile ich und verlebe so meine „sinn(en)-vollen Zeiten:
Zunächst schließe ich die Augen und höre auf die Geräusche, die um mich herum sind. Ich versuche, die verschiedenen Klänge und Laute zu unterscheiden. Höre ich Vögel, vielleicht sogar das Gezwitscher unterschiedlicher Vögel? Was raschelt im Laub? Ist es neben mir oder hinter mir? Kann ich ferne oder nahe Stimmen unterschieden? Welche Verkehrsgeräusche nehme ich wahr? Welche Geräusche höre ich in mir? Das ruhige Aus- und Einatmen, den Herzschlag vielleicht? Das Läuten von Kirchenglocken? Klingt etwas in mir nach? Eine Melodie, Gedanke, die aufsteigen und Aufmerksamkeit fordern?
Nun öffne ich die Augen. Was kann ich sehen in der Nähe und in der Ferne? Vielleicht forme ich mit Daumen und Zeigefingern der beiden Hände einen Bilderrahmen und betrachte das, was um mich herum ist, wie in einem Bildausschnitt. Vielleicht entdecke ich so Einzelheiten, die mir sonst nie aufgefallen wären und ich gehe auch näher heran.
Dabei verweile ich und nehme mir Zeit. Welche Gedanken steigen dazu in mir auf? Lasse ich diese Gedanken zu?
Vielleicht gehe ich jetzt etwas weiter und halte an einem neuen Rastplatz wieder inne. Dort schließe ich die Augen und rieche: den Duft der Blumen, frisch gemähtes Gras, die feuchte Erde und vielleicht Gülle oder Benzin, weil der Bauer für uns bei der Arbeit ist? An welche Düfte erinnere ich mich? Was sind meine Lieblingsdüfte? Was stinkt mir?
Mit geschlossenen Augen ertaste ich meinen Sitzplatz. Ist der Untergrund glatt oder rau, hart oder weich, warm oder kalt? Vielleicht betaste ich die Rinde eines Baumstammes und fühle Einkerbungen oder Vorsprünge, Moosbewuchs. Spüre ich den Wind an meiner Wange? Krabbelt vielleicht ein Käfer über meine Hand? Was hat mich berührt? Was tut mir gut? Woran habe ich mich gestoßen?
In der Pause verzehre ich meinen Proviant langsam und bewusst. Schmecke ich das Aroma des Brotes und des Belags heraus? Wie frisch oder knackig ist der Apfel? Und ist das Wasser noch kühl und prickelnd? Bin ich auf den Geschmack gekommen? Wobei muss ich schlucken?
Diese Übungen können nach Belieben und an unterschiedlichen Stellen wiederholt werden. Im Verlauf dieses Pilgerweges werde ich feststellen, dass die Aufmerksamkeit meiner Sinne sich verändert: Ich sehe Dinge, an denen ich im Alltag einfach vorübergehe und höre Töne, die sonst im Trubel einfach untergehen. Meine Sinne lehren mich, auf neue Weise achtsam zu sein.
Und das, was ich sehe, rieche oder höre, verbinde ich mit dem, was ich dabei fühle und was mich berührt. Dabei darf ich erfahren: ‚Die Sinne sind die Brücken vom Sehen zum Schauen, vom Hören zum Lauschen und vom Spüren zum Berührt sein.‘ (P. Müller)“