„Zu den Gottesdiensten kommen zwischen zehn und 30 Gemeindegliedern“, berichtet Heike Kerwin und vermutet, dass es sicher viel mehr gehörlose Menschen im Kirchenkreis gibt, denn statisch gesehen ist etwas eine Promille der Bevölkerung gehörlos. In dieser besonderen Gemeinde aber sei es wie in allen Gemeinden – „nicht jedes Mitglied hat auch Interesse daran, am Gottesdienst oder an Gemeindeveranstaltungen teilzunehmen.“
Die Gottesdienste dauern etwa eine halbe Stunde mit Predigt, Liedern und Gebeten in Gebärdensprache. „Länger ist schwierig“, erläutert Gemeindeglied Juliane Klein (61). Gottesdienste für Gehörlose sind anstrengend, weil man die ganze Zeit konzentriert schauen muss. „Wenn die Gedanken zwischendurch abschweifen oder man sich ablenken lässt, ist es schwer, wieder den Anschluss zu kriegen“, stimmt Marie-Luise Haunschild (61) zu.
Die beiden sind sehr aktive Mitglieder der Gehörlosengemeinde. Juliane Klein ist unter anderem ehrenamtlich im Missionsausschuss der Deutschen Arbeits-gemeinschaft für Evangelische Gehörlosenseelsorge (DAFEG) tätig. Dieser Ausschuss unterstützt zum Beispiel Schulen für Gehörlose im afrikanischen Eritrea. Vor fünf Jahren hat die Rentnerin zusammen mit einer Delegation diese Schule besucht. Später hat sie mitgeholfen, Spenden für einen Kleinbus zu sammeln, der in Asmara, der eritreischen Hauptstadt, für die gehörlosen Kinder eingesetzt wird. Außerdem ist ihr die Aktion „Weihnachtsfreude für Kinder in Eritrea“ wichtig. „Wir packen im Dezember Päckchen, die dann zum orthodo-xen Weihnachtsfest im Januar dort ankommen“, berichtet die 61-Jährige.
Lebhaft im Gespräch (von links): Marie-Luise Haunschild, Juliane Klein und Heike Kerwin von der Gehörlosengemeinde im Kirchenkreis Halle. Foto: fra
Sie ist – genauso wie Marie-Luise Haunschild – Gemeindesprecherin. „Wir sind keine Presbyterinnen“, erklärt Marie-Luise Haunschild. Dennoch leiten die beiden gemeinsam mit Pfarrerin Heike Kerwin die Gemeinde. Marie-Luise Haunschild engagiert sich darüber hinaus im Frauentreff der Gehörlosenge-meinde. „Wir machen Ausflüge z.B. in ein Altenheim für Gehörlose oder ins Café im Bielefelder Bürgerpark. Wir hören Vorträge, z.B. über Costa Rica oder Dubai“, erinnert sie sich. Sie selbst macht im Rahmen des Frauentreffs Bastel-vorschläge zum Beispiel für kirchliche Feste.
Vermittlung von Dolmetschern
Die drei Frauen wissen auch bei Sprachproblemen Rat. „Dolmetschen ist nicht mein Beruf“, sagt Pfarrerin Heike Kerwin, wenn sie nach Dolmetschdiensten gefragt wird. „Für die Teilnahme von Gehörlosen an Taufen, Hochzeiten Beerdigungen oder Konfirmationen in einer evangelischen Gemeinde kann ich einen Gebärdendolmetscher oder eine –dolmetscherin bestellen. Die Kosten übernimmt dann die DAFEG.“ Als sie im Jahr 2000 aus ihrem Dienst als Sy-nodalvikarin im Kirchenkreis Halle ausscheiden musste, hat sie sich für die Gehörlosengemeinde entschieden. Zu dem Zeitpunkt hatte sie bereits Kontakte zur Gemeinde, weil sie seit 1998 freiwillig und nebenamtlich in der Gemeinde tätig war. Außerdem erlernte sie die Gebärdensprache.
Früher nutzte die Gehörlosengemeinde evangelische Kirche und Gemeindehaus in Halle. Als Pfarrer Arnd Vetter Seelsorger für die Gemeinde war, wechselte sie nach Steinhagen. Schon immer aber zog sie Gemeindeglieder aus einem größeren Umkreis an: Juliane Klein zum Beispiel wohnt mit ihrer Familie in Bielefeld. Als sie in Bielefeld zur Gehörlosenschule ging, unterrichtete dort Pfarrer Arnd Vetter Religion, der damals die Gehörlosengemeinde in Halle versorgte. „Pfarrer Vetter hat meinen Mann und mich getraut und uns dann in seine Gemeinde hier eingeladen.“ Seitdem fühlt sie sich hier kirchlich zu Hause.
Wer Kontakt mit der Pfarrerin Kerwin aufnehmen möchte, kann dies entweder über Fax (0 52 42) 40 84 39 oder über E-Mail heike.kerwin[at]gebaerdenkreuz.de tun. (fra)