In diesem Herbst veranstaltet die VHS Ravensberg in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis „Spuren jüdischen Lebens in Werther“, eine 11-teilige Veranstaltungsreihe zu vornehmlich regionalen Aspekten jüdischen Lebens im Rahmen der bundesweiten Initiative „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.
In der Region des Ravensberger Landes sind Dokumente über ansässige jüdische Familien seit der frühen Neuzeit in Archiven zugänglich. In Werther (Westf.) sind Schutzbriefe für drei jüdische Personen aus dem ausgehenden 17. und dem beginnenden 18. Jahrhundert belegt. Bis zur Deportation der letzten jüdischen Familien aus Werther im Jahre 1943 lässt sich deren Integrationsgeschichte in die Stadtgemeinschaft detailliert nachzeichnen.
In mehreren Veranstaltungen soll speziell dieser Aspekt exemplarisch bearbeitet werden.
Neben der Rekonstruktion der Geschichte von vier jüdischen Familien liegt ein Schwerpunkt der Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus und der damit verbundenen systematischen Entrechtung, Enteignung und Vernichtung der jüdischen Familien auf dem Schicksal jüdischer Kinder aus der Region. Einige von ihnen konnten in Kindertransporten gerettet werden, die meisten Kinder aus Wertheraner Familien aber wurden mit ihren Eltern deportiert und ermordet. In Zusammenarbeit mit der Peter August Böckstiegel Kreisgesamtschule hat der Arbeitskreis sich an dem Butterfly Projekt beteiligt, das an einige dieser Kinder erinnern soll.
Auch zum Bereich „Judentum und Bildung“ sind mehrere Veranstaltungen geplant, die gleichzeitig eine überregionale Dimension in das Projekt einbringen. Soweit das in der aktuellen Corona-Situation vorhersehbar ist, wird die kanadische Künstlerin Mia Weinberg aus Vancouver im Herbst 2021 in der Region anwesend sein. Sie wird im Museum Peter August Böckstiegel Workshops und Vorträge zu Aspekten jüdischer Identität und kultureller Zugehörigkeit unter den Bedingungen von Zwangsmigration und Vertreibung durchführen, die sie in einer multimedialen Installation im Museum thematisiert. Mia Weinberg ist die Tochter eines Juden aus Werther, der 1939 mit einem Kindertransport nach England ausreisen konnte. Damit wird auch eine Anschlussmöglichkeit an aktuelle Problemstellungen und Erfahrungen der jungen Generation von Schülerinnen und Schülern hergestellt.
Ein Beitrag zur Bedeutung jüdischer Frauen für das Kulturleben wird in der Veranstaltung zu der Musikpädagogin Maria Leo dokumentiert. Ihr Schicksal steht exemplarisch für eine ganze Reihe von weiblichen Kulturschaffenden, die wichtige Beiträge zur Entwicklung in ihren jeweiligen Bereichen geleistet haben. Sie wurden aber entweder unterdrückt, verschwiegen oder ihre Ideen wurden von männlichen „arischen“ Kollegen okkupiert. In der Überlieferung finden ihre Namen keine Erwähnung mehr.
Ein wichtiger Bildungsbeitrag jüdischer Mitbürger wird auch in der Veranstaltung über die Rolle jüdischer Sportlerinnen und Sportler für die Entwicklung der Vereinskultur in Deutschland zur Sprache gebracht. Dabei werden sowohl die Bedeutung jüdischer Sportvereine für die Identitätsbildung als auch die Mitwirkung jüdischer Sportfunktionäre in nicht-jüdischen Vereinen am Beispiel des DSC Arminia Bielefeld thematisiert.
Die Veranstaltung zum Thema Erinnerungsarbeit geht auf allgemeinere Aspekte des Themas ein. Sie wird vor allem von Beiträgen von Nachkommen der Überlebenden der Shoa bestimmt, die über ihre Erfahrungen als Mitglieder der sogenannten „zweiten Generation“ berichten werden. Am Beispiel der Diskussion über ein Mahnmal in Werther und anhand von konkreten Unterrichtsprojekten in Schulen werden aber auch die Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz der Erinnerungsarbeit und der angemessenen Formen für diese Arbeit angesprochen.
Eine adäquate Rahmung findet die Veranstaltungsreihe mit dem Abschlusskonzert der sephardischen Künstlerin Esther Lorenz, die mit Musik und Texten aus der jüdische Tradition andere Facetten des kulturellen Beitrags jüdischer Künstlerinnen und Künstler zu Gehör bringen wird.
Veranstaltungen
Juden in Werther seit dem 17. Jahrhundert, 26.08.2021, 18.30-20Uhr, Haus Werther
Aktionen gegen das Judentum 1933 bis 1945 in Werther, 2.09.2021, 18.30-20Uhr, Haus Werther
Schicksale Jüdischer Kinder: Kindertransporte, 9.09.2021, 18.30-20Uhr, Haus Werther
Installation „Fractured Legacy“, ab 16.09.2021 im Böckstiegel Museum Werther. Museumsführung mit Mia Weinberg am 16.09.2021 von 18.30 bis 20 Uhr.
Schicksale Jüdischer Kinder: Deportationen (Butterfly-Projekt), 23.09.2021, 18.30-20 Uhr im Foyer der Peter August Böckstiegel Kreisgesamtschule.
Die Familie Israel und Emma Sachs, 30.09.2021 von 18.30-20 Uhr, Haus Werther.
Der Sportfunktionär Julius Hesse, 7.10.2021, 18.30-20 Uhr, Haus Werther
Die Musikpädagogin Maria Leo, 28.10.2021, 18.30-20 Uhr, Haus Werther
Synagoge und Jüdischer Friedhof in Werther, 4.11.2021, 18.30-20 Uhr, Haus Werther
Besuch der Bielefelder Synagoge, 8.11.2021, 19-20.30Uhr, Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld
Aspekte der Erinnerungsarbeit, 11.11.2021, 18.30-20 Uhr, Haus Werther
Musikalische Reise durch das Judentum, 3.12.2021, 19.30-21Uhr, Haus Werther oder PAB
Smart Democracy – Was bedeutet es heute, jüdisch zu sein? 24.11.2021, 19-20.15Uhr, Online
Alle Veranstaltungen sind gebührenfrei, eine Anmeldung ist nötig und kann erfolgen per Telefon unter 05201 8109-0 oder über die Homepage der VHS.
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