„Das bewegt mich mehr, als ich vorher gedacht hatte“, sagt Dirk Leiendecker am Ende seines Abschiedsgottesdienstes in der Petri-Kirche. Zuvor haben Kolleginnen und Kollegen, Ehrenamtliche und Weggefährten eine Revue durch die beinahe vier Jahrzehnte seines Schaffens in Versmold inszeniert. 36 Jahre war Leiendecker als Pfarrer in Versmold und hat dort viel und viele bewegt.
Dirk Leiendecker hatte schon früh in seinem Leben Berührung mit der Kirche. Der gebürtige Sauerländer wohnte mit seinen Eltern in einem Kindergarten unterm Dach, in der ersten Etage tagte das Presbyterium. Der erste Pfarrer, den er miterlebte war Martin Engelbrecht, der später ins ihm noch unbekannte Bockhorst wechselte. Nach der Konfirmation engagierte sich Leiendecker ehrenamtlich in der Jugendarbeit und mit 16 wusste er schon, dass er Pfarrer werden wollte. Zum Studium ging es für ihn nach Münster, anschließend zum Vikariat nach Neheim zurück ins Sauerland. Seine Mutter Sigrid war es, die 1985 in der UK eine Stellenanzeige für eine freie Stelle in Versmold entdeckte. Leiendecker bewarb sich und wurde genommen, zunächst als Vakanzvertretung, seit 1986 als Pfarrer der Gemeinde.
Es gab im Laufe der Jahre zwar Anfragen anderer Gemeinden, doch ernsthaft um einen Wechsel bemühte sich Leiendecker nicht. Versmold ist für ihn und seine Familie zur Heimat geworden. Dabei war der erste Eindruck nicht besonders heimisch, als er und seine Frau Birgit an einem grauen Februartag auf der Münsterstraße kurz vor dem Ortseingangsschild unterwegs waren: „Da haben wir beide geglaubt, am Ende der Welt angekommen zu sein“. Zum Glück täuschte der erste Eindruck und Dirk Leiendecker gelang es schnell Wurzeln zu schlagen und heimisch zu werden.
Manch einer in Versmold glaubt inzwischen, sein Vorname sei „Pastor“. Das liegt zum einen an seiner Mailadresse und seinem Autokennzeichen, zum anderen aber auch an seiner Einstellung. „Du identifiziert dich mit deinem Beruf, du bist mit Leib und Seele, mit Haut und Haaren Pastor“, sagte ihm Kollegin Susanne Absolon zum Abschied. An sein Wirken jenseits der Gemeinde erinnerte Walter Hempelmann. „Du warst ein ausgezeichneter Beistand – so muss man das Wort Assessor eigentlich übersetzen. Es ist ein Vertrauensverhältnis zwischen uns entstanden, über das ich dankbar und froh bin“, sagt der Superintendent.
Schon vor seiner Zeit als Synodalassessor wirkte Leiendecker auf kreiskirchlicher Ebene mit. „Meine Zeit im Kirchenkreis war zunächst bestimmt durch den Vorsitz im Umwelt-, später auch im Friedhofsausschuss. Im Zusammenhang mit dem Planungsverfahren zum sogenannten Lückenschluss der A 33 habe ich mir damals "die Hörner blankgestoßen" und die "Brocken hingeschmissen", weil sich die Synode damals nicht getraut hat, "klare Kante" zu zeigen. Da war ich mehr als enttäuscht“, erinnert sich Leiendecker. Später glätteten sich die Wogen und er übernahm Aufgaben im KSV als Versmolder Mitglied und zunächst Scriba, dann als Synodalassessor und wurde Stellvertreter von Superintendent Walter Hempelmann. „Im KSV ist das Vertrauen zwischen Superintendent und Assessor im Laufe der Jahre immer mehr gewachsen, und damit auch die Aufgaben. Highlights für mich waren sicherlich die Mitorganisation des zweiten Kreiskirchentages und die Alleinverantwortlichkeit für das Ehrenamtsfest, aktuell natürlich der Bau der Kita Mamre. Überhaupt habe ich mich gerne mit dem Bereich Bau- u. Liegenschaften beschäftigt“, erzählt Leiendecker, den Kollegen scherzhaft auch den „Baupfarrer“ nennen.
Dazu gehörten unter anderem das Freizeitheim Haus Sonnenwinkel auf Baltrum, das Haus Ascheloh und vor der Kita Mamre der Kauf der zwei Eigentumswohnungen in der Kaiserstraße als "Ersatz" für das Haus Sonnenwinkel. Auch an der Gestaltung des Kreiskirchenamtes, zunächst bei der Zusammenlegung von Halle und Gütersloh und später nach der Gründung des EKKA mit vielen Gesprächen, vor allem mit den Paderborner Vertretern gehörten zu seinen Aufgaben. Der von ihm gegründete Seniorenclub im Katharina-von-Bora-Haus, die Renovierung der Petri-Kirche und der Neubau des Gemeindehauses gehören ebenso zu seinen Höhepunkten.
In Versmold war er all die Jahre Mitglied im Friedhofs- und Bauausschuss und hat die Verwaltungstätigkeiten stets als selbstverständlichen und notwendigen Teil seiner Arbeit verstanden, auch wenn die Seelsorge immer Vorrang hatte. Leiendecker war lange Jahre bis zur Übergabe an die Perthes-Stiftung auch Vorsitzender der Gesellschafterversammlung des Katharina-von-Bora-Hauses und in einer Übergangsphase auch dessen Geschäftsführer.
Viele Erlebnisse aus den letzten Jahrzehnten wird er so schnell nicht vergessen, von den Seniorenfreizeiten auf Baltrum mit Loriot-Sketchen, den Einfahrten mit dem Motorrad beim Heaven&Earth Gottesdienst oder auch den Fauxpas, eine Braut bei einer Trauung schon mal mit dem falschen Namen angesprochen zu haben. „Aber ich bereue nichts. Ich hatte ein erfülltes Berufsleben!", sagt der seit 2003 auch als Feuerwehr-Seelsorger Aktive.
Eine konkrete Planung für den Ruhestand gibt es noch nicht, auf jeden Fall stehen Reisen mit seiner jetzt auch in den Ruhestand gegangenen Frau an. „Auch Fahrradfahren soll ein fester Bestandteil unseres Ruhestands werden; das Motorradfahren möchte ich gerne ausweiten. Die Pflege unserer Freundschaften, vor allem der weiter entfernten, hat immer vor allem unter meinen Terminproblemen gelitten. Das soll sich ändern“, erzählt der Pensionär. Bei der Feuerwehr möchte er gerne noch ein paar Jahre im seelsorglichen Bereich tätig sein. Und er wird sicher auch den Bau der Kita Mamre bis zu deren Eröffnung zum Ende des Jahres weiter begleiten. „Alles andere muss sich entwickeln. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich keine Langeweile aufkommen lassen werde“, sagt der bekennende Arminia Bielefeld Fan.