„Das sind die längsten Haller Bach-Tage, die wir je hatten“ resümierte augenzwinkernd Sylke Fleischhut, Personaldirektorin der Storck-Gruppe, bei der Ankündigung der Band „Hot Club du Nax“. Das kann man nur bestätigen, denn nach Konzerten im Juni werden weitere vom August bis in den November hinein folgen. Schwungvoll wartete die Band aus Innsbruck mit Gypsy-Swing auf. Aufgrund von Platzbeschränkungen, die das Corona-Konzept vorgibt, fanden am 7. August zwei aufeinanderfolgende Konzerte statt, die von insgesamt 400 begeisterten Zuhörer im Storck-Treffpunkt besucht wurden.
Die Band ist ein wahres internationales Gypsy-Kollektiv: Sängerin Isobel Cope kommt aus London, Violinist Tomas Nowak aus Prag, die beiden Gitarristen Arian Kindl und Lukas Bamesreiter aus Innsbruck und Kontrabassist Dario Michele Gurrado aus Bologna. Die hochkarätigen Musiker boten Gypsy-Jazz aus dem Paris der 20er und 30er Jahre, aber auch moderne Klassiker und Eigenkompositionen. Mit Originellen Genre-Standards führten sie das träumerische und auch zugleich impulsive Timbre des Gypsy Jazz stilsicher in die Gegenwart. Gleich zu Beginn bot Sängerin Isobel Cope George Gershwins „I got Rhythm, I got Music“ so schwungvoll dar, dass es die Füße der meisten Zuhörer mitwippen ließ. Interessante Informationen zum Repertoire wurden von den Bandmitgliedern an die Zuhörer weitergegeben. So erklärte Violinist Tomas Nowak – mit einem leichten Augenzwinkern – wie es zu der Eigenkomposition „I want to spend my life with you“ kam. „Nach dem Auftritt bei einer Hochzeit auf dem Hochkönig, einem mehr als 2.700 m hohen Berg in den Alpen, rochen wir auf der Rückfahrt im Tourbus die qualmenden Bremsen und hatten Todesangst. Da ist mir dieses Lied eingefallen.“ Songs wie „Concorde“ von John Lewis, „Joseph! Joseph!, seinerzeit gesungen von den Andrew Sisters oder „I wonder, where my baby is tonight“, einem Charleston der 20-er Jahre, folgten. Die Stimme der Sängerin begeisterte das Publikum und langen Applaus gab es für ihre Interpretation des von Hildegard Knef 1954 gesungenen „Bei dir war es immer so schön“. Die Band wurde erst nach zwei Zugaben entlassen.
Mehr als 40 Blockflöten verschiedenster Bauart und Größe nennen sie ihr Eigen, 29 davon haben den Weg in die Haller St. Johanniskirche am 12. September gefunden: das renommierte Blockflötenquartett Flautando Köln begeisterte seine Zuhörer. Das Zusammenspiel der vier Musikerinnen, die 2020 ihr 30. Jubiläum feierten, erfolgte auf höchstem technischem Niveau. Unter dem Titel „Von der Liebe – der Umweg zum Herzen“ erklang die Musik von J. S. Bach (*1685), John Playford (*1623), Fulvio Caldini (*1959) und Racheal Cogan (*1968) mal virtuos, dann wieder engelsgleich oder impulsiv. Dem Zauber der Vortragenden konnten sich die Zuhörer nicht entziehen und belohnten die Darbietungen mit langanhaltendem Applaus, dem eine Zugabe mit einem Irish Folk Stück folgte. Doch nicht nur „in Begleitung“ ihrer Instrumente waren die Musikerinnen gekommen: Schauspieler und Regisseur Heikko Deutschmann las zwischen den musikalischen Darbietungen Texte aus „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“. In dem preisgekrönten Roman von Rachel Joyce geht es um lebensverändernde Momente, Geheimnisse, Tapferkeit, Betrug, Liebe und Loyalität. „Eigentlich wollte Harold Fry nur zum Briefkasten, dann geht er 1000 Kilometer zu Fuß“ – Heikko Deutschmann trug die Passagen aus dem Buch vor, dass man am Ende das Gefühl hatte, den kompletten Roman gelesen zu haben. Er brachte die Zuhörer quasi dazu, sich mit dem eigenen Leben auseinanderzusetzen.
Nur zwei Tage später – wieder pandemiebedingt mit zwei Aufführungen – stand Musik des Frühbarocks in der St. Johanniskirche auf dem Programm der Haller Bachtage. Die im Zeichen des 450. Geburts- sowie des 400. Todestages von Michael Praetorius stehenden „Solenne Fest- und Freudenkonzerte“ boten seine Werke „Wachet auf ruft uns die Stimme“, „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, Teutsche Missa: „O Vater allmächtiger Gott“ und das „Magnificat super Chorale melos Germanicum“ sowie Werke von Heinrich Schütz, dem damaligen Hofkapellmeister in Dresden und damit Nachfolger von Praetorius.. Die Solisten Franziska Bobe (Sopran), Friederike Webel (Sopran), Beat Duddeck (Altus), Florian Feth (Tenor) sowie Gregor Finke (Bass) wurden vom Leipziger Johann-Rosenmüller-Ensemble begleitet. Die Gesamtleitung hatte KMD Friedemann Engelbert. Auch hier gab es für die hervorragende Leistung langanhaltenden Beifall, der eine Zugabe zur Folge hatte. Am 9. Oktober werden die Haller Bachtage mit Solo-Kantaten in der St. Johanniskirche fortgesetzt. -dag-