Wort zum Sonntag 16. Oktober 2022
Gott sieht mich
Sehende Menschen sind oft mit Blindheit geschlagen für die Probleme ihrer blinden Mitmenschen. Der internationale Tag des Weißen Stocks am 15. Oktober will das Augenmerk auf diese erhebliche Beeinträchtigung lenken. An diesem Tag fordern blinde und sehbehinderte Menschen die Bevölkerung in Deutschland zu mehr Verständnis und Rücksicht auf.
Der weiße Stock, auch Blinden- oder Langstock genannt, ist das wichtigste Orientierungs-Hilfsmittel für blinde Menschen. Er ist ein ständiger Begleiter auf allen Wegen und gibt Sicherheit. Der Stock kann Hindernisse am Boden erkennen, zum Beispiel Blumenkübel, Werbeaufsteller oder was sonst im Weg steht: Mülltonnen, Baustellen, achtlos zurückgelassene E-Roller mitten auf dem Bürgersteig. Aber mit dem Langstock können nur Hindernisse bis ungefähr einen Meter Höhe erkannt werden, nicht aber herabhängende Äste oder Zweige.
Blinde und sehbehinderte Menschen wünschen sich mehr Verständnis und Rücksicht. „Haben Sie denn keine Augen im Kopf?“ werden sie vielleicht nach einem Rempler pampig gefragt. - Das schon, aber die Augen funktionieren nicht mehr. Sehende Menschen können sich nur schwer vorstellen, was es bedeutet, nicht sehen zu können, zum Beispiel aufs Autofahren verzichten, nicht allein oder nur mit Mühe einkaufen, die zum Gruß ausgestreckte Hand nicht erkennen.
Manch ein erblindeter Mensch hadert mit seinem Schicksal, zieht sich zurück. Ein älterer Mann hat sogar einmal gesagt, er fühle sich seit seiner Erblindung wie lebendig begraben.
Der weiße Stock und viele andere Hilfsmittel erleichtern die Teilhabe am Leben. Es ist allerdings oft ein mühsamer Weg, seine Beeinträchtigung akzeptieren zu können. Wer sich zurückgezogen und verschlossen hat, braucht Zuspruch und Ermutigung, auch aus dem christlichen Glauben, denn Gott übersieht niemand.
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Dieses Bibelwort hat die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen als Jahreslosung für 2023 ausgewählt. Gute Aussichten, nicht nur für das nächste Jahr!
Udo Waschelitz (Halle) ist Beauftragter für die Blinden- und Sehbehindertenseelsorge im Evangelischen Kirchenkreis Halle