Andacht vom 08. Januar 2012

08. Januar 2012 - 1. Sonntag nach Epiphanias

Die Weisen aus dem Morgenland

Wenn am 6. Januar die Sternsinger von Haus zu Haus ziehen, Geld für ein soziales Projekt und Süßigkeiten zum Naschen sammeln, spenden sie  auch den traditionellen Haussegen C+M+B (christus mansionem benedicat: Christus segne dieses Haus). Sie erinnern an jene wundersame Geschichte des Evangelisten Matthäus: die Weisen aus dem Morgenland (später auch Könige genannt), die den neugeborenen König der Juden suchten und dabei von einem besonderen Stern geleitet wurden.

Es gibt viele Bilder und Darstellungen, die die Huldigung der Weisen und die Übergabe der Geschenke an der Krippe zeigen. In der Kathedrale des burgundischen Städtchens Autun befindet sich ein Sandsteinkapitell mit einer eigenwilligen Darstellung der Szenerie der drei Heiligen Könige. Der Künstler zeigt, wie die drei unter einer Decke liegen und schlafen. Ihre Kronen tragen sie dabei auf dem Kopf. Sie sind ja unterwegs und haben keine Zeit zu verlieren. Das heißt, genauer gesagt, zwei schlafen und einer hat die Augen offen. Und dieser eine sieht, wie ein Engel über ihnen schwebt und ihm den Stern zeigt. Der Stern weist den Weg zum Ziel. Auf den Stern müssen sie achtgeben. Und dieser Stern führt sie zum Stall von Bethlehem, zum Kind in der Krippe.

Die Weisen erkennen, dass Gott selbst in diesem Kind zu den Menschen kommt. Dass Gott sozusagen mit den Menschen unter einer Decke steckt. Mit den Menschen, die im Elend leben, die verfolgt und denunziert werden, die keine Heimat haben und die nicht wissen, wo sie morgen ihr Haupt hinlegen sollen. Mit diesen Menschen steckt Gott von nun an unter einer Decke. Unter der Decke des Menschseins eben.

Das erkennen die Weisen aus dem Morgenland. Sie sind Menschen, die sich nicht mit einer schnellen Antwort zufriedengeben. Sondern die sich selber aufmachen, um zu sehen, was die Zeichen der Zeit bedeuten.
Wenn wir auf diese Menschen, die Weisen aus dem Morgenland schauen, erkennen wir drei Charakteristika, drei Wesenszüge, die auch uns im Jahre 2012 gut tun:

  • Das Erste: Die Weisen waren wach, auch dann, wenn sie schliefen. Sie achteten auf den Stern, der ihnen in der Nacht leuchtete, sie achteten auch auf den Traum, der ihnen zeigte, was zu tun war. Demgegenüber waren Herodes und seine Anhänger zwar äußerlich höchst aktiv, als es darum ging, einen möglichen Gegner auszuschalten, aber innerlich waren sie längst eingeschlafen.
  • Das Zweite: Die Weisen aus dem Morgenland hatten das richtige Navigationssystem: den Stern von Bethlehem. Um diesen Stern zu sehen, mussten sie nach oben schauen. Uns tut es – gerade auch zu Beginn eines neuen Jahres – gut, ab und zu nach oben zu schauen, in den Himmel, um von dort aus Richtung und Sinn für unser Leben zu finden.
  • Und das Dritte: Die Weisen aus dem Morgenland trauten ihrem Traum. Der ließ sie nicht zu Herodes zurückkehren und dort Bericht erstatten, sondern sogleich, heimlich, nach Hause zurückkehren. Darin erkenne ich eine Form der Diskretion und der klugen Zurückhaltung, die wichtig ist in einer Zeit, in der über die Medienplattformen alles gleich verfügbar, in alle Welt gestreut, breitgetreten und ausgewalzt wird. Weil die Weisen weise waren, waren sie diskret. Weil sie klug waren, konnten sie schweigen.


So soll auch uns der folgende Epiphanias-Wunsch gelten, in dem es heißt:
„Ich wünsche dir, dass du in diesem Jahr gut schläfst,
dass du mit den Deinen unter einer Decke steckst,
dass du den Boten Gottes erkennst,
wenn er sich in dein Leben einmischt,
dass du bereit bist, andere aufzuwecken, wenn es notwendig ist,
dass du ja sagst, wenn du als Bote Gottes ausgesucht wirst.
Dass der Stern von Bethlehem das ganze Jahr über dir leuchten möge.“

Claudia Bergfeld ist Pfarrerin für Frauenarbeit im Kirchenkreis Halle und Pfarrerin der Kirchengemeinde Werther.