15. April 2012 – Quasimodogeniti
Der Wunsch ein neuer, eine neue, eine andere oder ein anderer zu werden, ist uns allen vertraut. Ursprüngliches Leben wünschen wir uns. Noch nicht verbraucht, noch nicht veraltet. Die Erkenntnis dahinter ist: Unser Leben schleppt soviel Altes mit sich herum, immer wieder die gleichen Probleme; immer wieder dieselben Sprüche. Wilhelm Busch, protestantischer Laientheologe auf Abruf, sagt von einem Auswanderer, der durch seine Emigration sich selbst entkommen wollte: „Der Ort war gut, die Lage neu, der alte Lump war auch dabei.“
„Quasimodogeniti – wie die neugeborenen Kinder“ ist der Name des vor uns liegenden Sonntags. Er gehört in den Osterzyklus. In weißen Täuflingskleidern zogen die in der Osternacht Getauften in die Kirche ein. Zum letzten Mal trugen sie ihre weißen Kleider. Deshalb weißer Sonntag. Da war es – dieses neue Leben, das den Tod hinter sich hat. Ein Leben, das Ostern atmet. In diesen weißen Tüchern und Gewändern leuchtete etwas davon auf.
Ein Gleichnis steckt in diesem Wort. Wie die neugeborenen Kinder – als ob wir es ihnen abschauen sollten. Was haben sie – was wir nicht oder nicht mehr haben? Jene Ursprünglichkeit, von der wir zehren sollten? Und doch – allein die Kinder können es nicht sein. Auf ihren Gesichtern zeigen sich bereits schon Züge des alternden Menschen, hat der Tod bereits Spuren hinterlassen. Die Schatten des Todes fallen auch auf jedes noch so junge Leben. Nein, allein die Erinnerung an die Kindheit reicht nicht. Das neue Leben ist anders. Es hat den Tod nicht mehr vor sich, sondern hinter sich. Der Tod hat darüber keine Verfügungsgewalt mehr.
Wie die neugeborenen Kinder – das Vergleichsmoment steckt wohl in dem Prozess der Geburt. Jesus hat einmal dieses neue Leben in dem nächtlichen Gespräch mit Nikodemus so beschrieben: Es reicht nicht aus, hier und da etwas zu kaschieren. Eine neue Geburt – ein ganz neues Leben muss mir geschenkt werden. Weil jede Geburt neues Leben schenkt. Wo neues entsteht, muß altes weichen. Das neue Leben bleibt Geschenk, aber wir können förderlich oder hinderlich für dieses neue Leben sein – durch unser Reden und Tun.
Wir benötigen eine Alternative zum kranken Versteckspiel mit dem Tod. Der große Aufklärer des Todes in diesem befreienden Sinn ist Jesus von Nazareth. Seine Strategie gegen den Tod heißt: Glaube, Liebe, Hoffnung.
von Walter Hempelmann, Superintendent des Kirchenkreises Halle und Pfarrer der Kirchengemeinde Halle