Andacht zum 11. Januar 2015

11. Januar 2015 - 2. Sonntag nach Epiphanias

Nehmt einander an…

Nach dem, was u.a. mit PEGIDA unüberhörbar auf die Straßen drängte, gewinnt die Losung für das Jahr 2015 als christlicher Leitsatz für das noch junge Jahr eine ebenso aktuelle wie herausfordernde Bedeutung: „Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat Gott zum Lob!“ Dies umso mehr, als sich in irritierender Weise auch Christen (wenngleich in vergleichsweise kleiner Zahl) unter die Protestierenden, die vornehmlich in Ostdeutschland auf die Straße gehen, gemischt haben. Dabei darf die angeblich drohende Islamisierung Westeuropas angesichts statistisch realer Zahlen als ein eher lächerlicher Grund gelten. Dennoch sind die diesbezüglich auf Aus- und Abgrenzung zielenden Äußerungen der Straße Ausdruck von Verunsicherungen und Ängsten, die tief in die eigene Befindlichkeit hineinreichen. Sie genügen offensichtlich Manchen, eine offene und hilfsbereite Annahme anderer unmöglich zu machen – biblische Jahreslosung hin oder her.

Dies ist umso bedenklicher, als ursächlich vergleichbares Leid durch Krieg, Flucht und Vertreibung für viele auch in unserem Land noch gar nicht so lange zurückliegt und eigentlich als Maßstab für zuwendungsbereites Handeln in gegenseitiger Annahme erinnert bleiben sollte.

PEGIDA und ähnliche Gesinnungsströmungen werden jedenfalls zu keiner Entkrampfung und Lösung herandrängender Probleme beitragen – so viel steht fest. Denn, wenn Mitmenschlichkeit, Gastfreundschaft und Herzenswärme Hilfebedürftigen gegenüber einem Minderheitenvotum der Straße widerstandslos preisgegeben werden, hört unsere Gesellschaft auf, das zu sein, was sie stark und glaubwürdig macht: nämlich eine soziale und solidarische Gemeinschaft! Das gilt global und national, im Großen wie im Kleinen, nach innen und außen sowie nach Maßgabe dessen, was jedem nach seinen Möglichkeiten jeweils möglich ist.

Dazu muss man nicht zwingenderweise das christliche Bekenntnis teilen. Es schadet dabei aber auch nicht, das Wort Jesu als Ermutigung zu hören, das sagt: „Nehmt einander an…!“ Und wenn dabei so etwas herauskommt, was die Bibel über Grenzen und Kulturen hinweg Gemeinschaft stiftende Nachfolge nennt, ist es um der betroffenen Menschen willen ja auch kein Nachteil.

Deshalb, lassen Sie uns das annehmen, was Annahme und Zuwendung erfordert.

Das wünsche ich Ihnen und mir. Der Welt und dem Gelingen im menschlichen Miteinander kann es nur dienen.

In diesem Sinne: bleiben wir behütet und ermutigt – wo immer wir sind und was jeder nach seinen Möglichkeiten tun kann.

Ihr Ulrich Potz, Pfarrer der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Steinhagen