Wort zum 6. Sonntag nach Trinitatis, 23. Juli 2017
Reisen fasziniert die Menschen. Wie Bienenschwärme strömen die Touristen zur Ferienzeit an die Küsten rund um den Globus, in fremde Städte und Länder. Jedes Mal wiederholt sich das gleiche Ritual auf Bahnhöfen, an Flughäfen oder auf Autobahnen. Menschen stehen erwartungsvoll in Schlangen oder stehen in Staus auf Autobahnen. Im Gepäck findet sich ein Stück vertraute Heimat: die eigene Kleidung, Fahrräder, Kinderreisebetten mit Bettzeug, Schmuckstücke oder auch der Merian-Reiseführer. Was treibt uns Menschen an, jedes Jahr ein- oder mehrere Male in kilometerlangen Staus dieselbe Tortur auf uns zu nehmen und zum ersehnten Urlaubsort zu pilgern? Wir wollen den Alltag für kurze Zeit hinter uns lassen, etwas erleben, was den Alltag übersteigt, ausspannen, ausruhen, Kraft tanken und unsere Neugier auf neue Orte stillen. Wir wollen frei sein, den Alltagstrott unterbrechen, sind offen für Attraktionen, sei es Bungee-Jumping in den Alpen, Cliff-Hanging vom Eiffelturm oder eine Survival-Tour durch die heiße Wüste Afrikas…
… mir kommt die Geschichte vom verlorenen Sohn aus dem 15. Kapitel des Lukasevangeliums in den Sinn, die unserer Sehnsucht nach Freiheit und Abendteuer sehr nahe kommt. Auch den Sohn vom Land packt eines schönen Tages das Reisefieber. Er will aus dem alltäglichen, normalen Leben ausbrechen und lässt sich zu diesem Zweck von seinem Vater das Erbe auszahlen, geht in die Fremde und lebt vergnüglich sein Leben, wird zum Weltenbummler, sieht große Städte, die Karibik, Australien, die Südsee und lernt viele unterschiedliche Menschen kennen. Als sein Erbteil aufgebraucht ist, erinnert er sich wieder an zu Hause, an alle Sicherheiten, die Annehmlichkeiten, die unbeschwerte Kindheit, den festen Tagesrhythmus, aber auch an die harte Arbeit. Die Fremde hat bald ihren Reiz verloren und er spürt, wie lebenswichtig es ist, zu wissen, wohin man gehört, ein vertrautes Zuhause zu haben. Etwas, woran man sich halten kann. Ja, auch wir können in der Fremde zu Verlorenen werden und da tut es gut, zu wissen, wohin wir gehören. Es tut gut, aufgenommen zu werden – ohne Bedingungen, Menschen zu haben, die für uns da sind.
Ein Stück Heimat brauchen wir alle auf dem Weg in die Fremde. In manchen Hotelzimmern finden sich noch Bibeln auf den Nachttischen. Auch unser Glaube kann uns in der Fremde Halt und Heimat geben. Wie schön, wenn wir – egal wie lange wir verreisen oder auf dem Weg sind – etwas haben, was uns Geborgenheit und Heimat schenkt. Kommen Sie gut behütet an.
von Christiane Karp-Langejürgen, Pfarrerin am Berufskolleg Halle / Westfalen