Alles ganz normal
Wenn ich morgens aus dem Fenster schaue, sehe ich vorm Kindergarten wieder die Autos der Erzieher*innen. Darüber freue ich mich; die Normalität kehrt zurück. Dann sehe ich an der Grundschule die Autos der Lehrer*innen. Super, auch hier wird wieder alles normal. Auf Schalke rollt bald wieder der Ball – ja, nun ist alles ganz normal. Und das Beste: wir feiern heute wieder Gottesdienst. Wie lange haben wir uns danach gesehnt!
Aber irgendetwas ist doch noch anders: Ich höre aus dem Garten nebenan keine fröhlichen Kinder. Ich sehe die aufgesprühten Abstandsstriche vor den Eingängen der Schule. Ich werde mit Sicherheit nicht in der Arena sein, wenn das nächste Heimspiel der Knappen stattfindet. Und spätestens, wenn ich mit meiner Gemeinde zusammen Gottesdienst feiere, wird mir deutlich: normal ist etwas Anderes.
Ich möchte nicht, dass es eines Tages für uns völlig normal ist, dass Schüler*innen mit Abstand in einer Schlange stehen, um Einlass in die Schule zu finden. Ich möchte auch nicht, dass es irgendwann völlig normal ist, im Gottesdienst weit auseinander zu sitzen und nicht zu singen. Nein, das alles möchte ich nicht auf Dauer.
Aber ich weiß, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht anders geht, damit eines Tages wirklich wieder Normalität einkehren kann. Alles hat eben seine Zeit: Jetzt ist die Zeit des physischen Abstandes und der Vorsicht, die Zeit von Sicherheits- und Schutzkonzepten. Und vor allem die Zeit der Vernunft: lasst uns vernünftig und vorsichtig bleiben, auch wenn nach und nach die Einschränkungen gelockert werden. Lasst uns geduldig sein, auch wenn es so vieles gibt, nach dem wir uns sehnen.
Dann wird es irgendwann auch wieder die Zeit der Normalität geben: die Zeit von fröhlichen Kinderspielen, von Gemeinschaft und Nähe in Schulen, Familien, an Arbeitsplätzen, unter Freunden. Und auch die Zeit des gemeinsamen Singens im Gottesdienst. Alles hat seine Zeit, von Gott geschenkt. Und was er tut, das geschieht gut.
Von Susanne Absolon, Gemeindepfarrerin in Versmold