Andacht vom 07. Mai 2017

Wort Sonntag Jubilate, 07. Mai 2017

Wenn ich aus dem Fenster sehe, dann sehe ich, wie Tag für Tag immer prächtiger die Blumen blühen. Ein großartiges Farbenspiel. Und ich freue mich daran. Farben machen das Leben bunt, sprechen mich und meine Seele unmittelbar an. Auch unser Glaube zeigt sich in verschiedenen Farben. Schon in der Bibel wird das deutlich. Verschiedene Menschen, verschiedene Wege und Arten, dem Glauben an Gott Ausdruck zu geben; schon alleine wenn man an die Jünger denkt, wie unterschiedlich sie ihrem Meister Jesus folgten! Und das ist bis heute so geblieben. Der christliche Glaube wirkt in jedem Menschen unterschiedlich - und so bleibt die Gemeinde Jesu eine bunt-gemischte Gemeinschaft.Und diese bunte Mischung wird in diesen Wochen reicher. Die Gemeinden in unserem Kirchenkreis feiern z. Zt. Konfirmationen. Viele junge Menschen treten vor den Altar und bekennen sich frei zum christlichen Glauben. Für sie liegt eine aufregende Zeit hinter ihnen. Die letzten Monate waren geprägt von vielen persönlichen Veränderungen. Ich stelle mir die Frage: Welches sind die Glaubensfarben dieser jungen Menschen? Wie können sie mit ihrem Glauben, mit ihren Fragen ans Leben und an Gott in unseren Gemeinden einen Platz finden? Jedes Jahr aufs Neue sind die Kirchengemeinden herausgefordert, offen zu sein und (Spiel-)Wiesen des Lebens den Jugendlichen zu zeigen. Auch offen zu sein für Fragen; für kritische Fragen. Konfirmation heißt ja nicht: Nun ist alles klar. Es gibt Erfahrungen, die den Glauben in Frage stellen; gerade wenn Unglücke und Attentate geschehen. Wenn Jugendliche kritisch fragen, dann erinnert dies uns an die Tugend der Skepsis. Nur mit ihr lässt sich das Dunkle wahrnehmen, die Verblendung aufdecken, schöner Schein entlarven und das Gewissen schärfen. Nur so kann sich der Glaube dauerhaft festigen. Bleibt Glaube beweglich, lebendig, frei - und bunt! Glaube und Zweifel sind keine Antipoden, sondern Geschwister. Und die Gespräche, die sich daraus entwickeln, sind immer spannend! Ich habe mich vor wenigen Tagen bei einem Jugendlichen für seine glaubenzweifelnden Fragen bedankt. Das hat ihn zuerst verwirrt. Aber dann, im Gespräch, sind wir gemeinsam den Schulflur  weitergegangen. Der Flur einer Schule ist alles andere als heimelig. Für uns aber wurde es ein Weg über eine bunte Wiese des Glaubens. Eine Art Emmausgang in unserer Gegenwart.

von Jörg Eulenstein, Pfarrer in der Evangelischen Kirche Harsewinkel