Andacht zum Sonntag Reminiscere, 12. März 2017
Am 1. März, dem Aschermittwoch, hat die Passions- und Fastenzeit begonnen. Die „tollen Tage“, in denen vor allem in katholischen Regionen ausgelassen gefeiert wurde, sind vorbei, und der Blick der Christinnen und Christen richtet sich auf den Leidensweg Jesu, auf seinen Tod am Kreuz als Gottes Versöhnungshandeln an uns. Viele Menschen nutzen diese Zeit, um 7 Wochen auf etwas zu verzichten, das ihnen allzu sehr zur Gewohnheit werden könnte: auf Alkohol oder Zigaretten, auf Schokolade oder die Tüte Chips beim Fernsehen.
Auch die Evangelische Kirche hat in diesem Jahr wieder ein „Fastenmotto“ ausgerufen. Es lautet: „Augenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort“. Die Aktion möchte uns einen Anstoß geben, in den vor uns liegenden Wochen bis Ostern bewusst darauf zu achten, dass es in unserem zeitlich eng getakteten, vom Multi-Tasking geprägten Alltag immer wieder heilsame Unterbrechungen gibt, echte Pausen, in denen wir auftanken können – auch spirituell!
Ein hilfreicher biblischer Text zu dieser Aktion ist die Geschichte von der Begegnung Jesu mit den beiden Schwestern Maria und Marta, die im Lukasevangelium erzählt wird. Dort wird berichtet, dass Jesus auf einer Wanderung im Hause Martas eine Pause einlegt. Diese nimmt ihn gastlich auf und versorgt ihn sofort mit Speisen und Getränken. Ihre Schwester Maria hingegen setzt sich zu Jesu Füßen und hört ihm zu. Als sich Marta bei Jesus über die mangelnde Hilfe ihrer Schwester bei der Bewirtung des Gastes beschwert, antwortet Jesus: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und verlierst dich an vielerlei, aber nur eins ist nötig. Maria hat die richtige Wahl getroffen. Sie hat sich für ein Gut entschieden, das ihr niemand wegnehmen kann.“ (Lk 10, 41f.)
Jesu Reaktion in diesem Text wirkt auf den ersten Blick verstörend. Ich sehe Marta, diese warmherzige und praktische Frau, geradezu vor mir. Sie möchte eine gute Gastgeberin sein und scheut weder Mühe noch Kosten, um das zu zeigen. Was kann falsch sein an diesem Dienst der Liebe? Viel zu oft wird doch in der Kirche nur geredet, anstatt auch tatkräftig zuzupacken. Doch sieht man genau hin, dann stellt man fest, dass Martas Handeln nicht grundsätzlich für falsch erklärt wird. Gesagt wird nur, ihre Schwester Maria habe in dieser Situation „die richtige Wahl getroffen“. Anders als Marta erkennt sie, was jetzt nötig ist!
Denn der Gast, der hier einkehrt, braucht nicht nur Brot. Es ist der, der von sich selbst sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Und der hier auf dem Weg bei Marta Station macht, braucht nicht nur ein Bett. Es ist der, der von sich selbst sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Indem Maria Jesus zuhört, gönnt sie sich selbst Achtsamkeit und Stärkung. Darin ist sie ein gutes Vorbild für uns: „Augenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort!“
von Pfarrer Thilo Holzmüller, Schulreferent des Kirchenkreises